Ich bin dann mal wieder da !

Mein ,,Abenteuer,, Jakobsweg ist beendet, jedenfalls, was das laufen betrifft. Jetzt beginnt die Zeit danach,die Zeit hinter dem Camino. Mit diesem Bericht möchte ich mich bei all den vielen Pilgerschwestern und Pilgerbrüdern bedanken, die mir auf meinem Camino von Burgos nach Santiago de Compostela, begegnet sind und ihre Wegerfahrungen mit mir geteilt haben. Ohne diese Pilgerfreundschaften könnte ich diesen Bericht sicher nicht schreiben denn ohne Euch wäre der Camino ziemlich leer gewesen und hätte mir nicht so viel zu sagen gehabt. Für alle die in der Zukunft diesen Weg gehen wollen sei gesagt. Den Jakobsweg an sich gibt es eigentlich gar nicht, oder nur als geografischen Begriff. Was dagegen wirklich zählt, ist der einzelne Mensch, der sich auf das ,, Abenteuer ,, Jakobsweg einlässt und so diesen Weg als seinen eigenen, ganz persönlichen Weg erleben kann. Und so ist zunächst jeder einzelne für seinen Camino selber verantwortlich und ich kann nur hoffen, das alle die nach mir diesen Weg beschreiten, so viele Freunde,Hilfsbereitschaft und Menschenliebe erleben dürfen, wie ich sie erlebt habe.

Der Camino sind wir alle, jeder von uns. Würde auch nur einer fehlen, gäbe es den Camino nicht.


Auf dem Camino

Nach der langen Anreise mit dem Omnibus ( ca. 25 Std. ) mein erster Meinungswechsel. Ich lernte meinen Mit Pilger Aloy kennen und gemeinschaftlich beschlossen wir, nicht wie geplant einen Tag in Burgos zu bleiben,sondern gleich mal ein ,,paar Meter,, zu laufen. Aus ein paar Metern wurden dann etwa 22 Km zu einem Refugio, in dem wir viele nette Menschen kennen lernten. Unter anderen auch zwei alte Freunde, die sich schon seit 1967 kennen und gemeinsam als Fallschirmjäger bei der Bundeswehr waren. Der eine als Sanitäter  ( Hans-Egon ) und der andere(Paul ) als Techniker. Im letzten Jahr waren sie vom Somport-Pass aus bis Burgos gelaufen und in diesem Jahr wollten sie ihr Ziel Santiago erreichen. Schon vom ersten Tag an begann eine wunderbare Freundschaft mit Freud und Leid. Ich erzählte dem Sani, Hans, der heute Physiotherapeut a.D. ist, das ich schon etwas Angst vor den hohen Bergen wie den Foncebadon und den Anstieg nach O Cebreiro habe und mir bei dem Gedanken daran schon meine Knie zittern. Mit einem Lachen legte er mir seinen Arm um meine Schultern und sagte: Bis wir zu den Bergen kommen habe ich dich so fit gemacht,das du über die Pässe fliegst, versprochen. Also,so ganz hab ich ihm das zu diesem Zeitpunkt noch nicht geglaubt. Vor allem wenn ich so betrachtete, wie ich abends in den Albergues ankam. Ich lief wie Pinoccio mit Holzbeinen, die Fußsohlen brannten und auf meinem linken kleinen Zeh machte sich eine Blase breit.Wenn ich meinen späteren Freund, meinen Rucksack, von den Schultern nahm, glaubte ich zu schweben und mein Gleichgewicht spielte mir immer wieder einen Streich. Aber ich sollte mich getäuscht haben,wie noch so oft auf meinem Camino.Jedenfalls hatten wir vier sehr viel Spaß miteinander und auch mit anderen Pilgern, ich glaubte zeitweise kaum, das ich auf einer Pilgerreise war. Unser Ruf als eine eher etwas lustige Truppe eilte uns auf dem Camino voraus, wie ich später erfahren habe. Ja, wir waren schon ein komischer Verein,wir vier.


Vier Freunde auf dem Jakobsweg

Bis Justo de la Vega, kurz vor  Astorga sollte das so bleiben. In der Zwischenzeit haben wir eine Menge zu sehen bekommen und auch viele Pilger kennengelernt. Freunde aus Süd-Afrika Chris und Delia, aus Kanada, Okinawa ,die Schwestern Karin und Eva, die uns immer wieder über den Weg gelaufen sind und da war noch der Busfahrer aus Österreich,seine Füße waren so lediert, so etwas hatte ich noch nie gesehen. In seine Wanderschuhe passten diese Füße nicht mehr also ist er in Gummilatschen gelaufen,,, noch 150 Km dann war allerdings Ende. Zu allem Überfluß zog er sich noch einen Innenband Abriss zu, selbst damit ist er noch 20Km gelaufen, kaum zu glauben,ein wirklich ,,Eisenbereifter,, Typ , eben ein ,, Bus-Kutscher,,. Da war der Pilger aus Polen mit seinem Koffer Trolli , wie der wohl über die Berge gekommen ist. Oder Hermann aus Kiel, den wir alle nur Zorro nannten, wegen seiner schwarzen Kleidung. Er hatte 18 Kg Gepäck dabei, was er angeblich alles brauchte, seine Wanderschuhe,,,, allein beim Ansehen taten mir schon meine Füße weh.Wir waren in Fromista, inTerradillos de los Templarios, in Mansilla de las Mulas und auch in Leon mit der wunderschönen Kathedrale.Wir schliefen in den unterschiedlichsten Albergues und Refugios. Manche sehr sauber und ordentlich, andere eher etwas gewöhnungsbedürftig, aber nie so, das ich es vorgezogen hätte in einem Sterne Hotel zu nächtigen. (Die Preise für die Übernachtungen in den Albergues, schwankten zwischen 3.- und 10.- Euro). Der abendliche Gedankenaustausch mit den anderen Pilgern war mir schon sehr wichtig. Auch bedächtige Momente hat es gegeben. In der Albergue in Corrion de los Condes die ,von Nonnen geleitet wurde,gingen wir zum ersten Mal zu einer Pilgermesse. Ein ganz bewegender Moment war, als eine der Nonnen aufstand und zu singen begann.Als ich mich umschaute bemerkte ich die Tränen im Gesicht von Paul und ich schaute weiter und bemerkte, das auch bei den anderen die Tränen flossen. Und wenn ich ehrlich bin, bei mir natürlich auch. Menschen mit Gefühlen, mit Hoffnungen, mit Wünschen und so verletzlich.Ab diesem Tag gingen Paul und ich vorn weg Aloy und Hans folgten uns. Tage in denen viele Probleme und Ängste besprochen wurden und die uns Menschlich unheimlich nahe sein ließen.Kurze Zeit hinter Corrion de los Condes bekam unser Aloy ein Problem mit seinem Knie. Der Sani kümmerte sich natürlich sofort um ihn, zeigte ihm, wie er einen Stützverband anlegen sollte und natürlich müssen wir jetzt etwas langsamer laufen.Das ist leicht gesagt, wenn man viel Zeit hat wie meine drei Freunde. Mir stand nur eine stark begrenzte Zeit zur Verfügung und ich machte mir so meine Gedanken. Am 8. Mai, in Justo de la Vega, feierten wir dann meinen 50sten Geburtstag gemeinsam mit einem Pilger aus Frankfurt, Ditmar. Bei Tortilla und Bier wollte aber keine rechte Stimmung aufkommen denn zu allem Überfluss hatte sich unter dem linken Fuß von Paul eine riesige Blase gebildet und da war für mich eigentlich klar, das unser Kleeblatt auseinander fallen würde. Wir tauschten vorsorglich abends unsere Adressen aus und verabredeten uns für das nächste Jahr zu eine Pilgertour auf dem fränkischen Jakobsweg und mit etwas Wehmut krabbelte ich dann in meinen Schlafsack. Am nächsten Morgen regnete es wie aus Eimern. Wir beschlossen erstmal einen Tee zu trinken und dann in unseren Poncho zu schlüpfen,aber wir hatten Glück. Kaum das ich meinen Poncho aus seinem Fach gequält hatte , hörte es auf zu regnen und sogar die Sonne schaute schon wieder zwischen den Wolken hervor- Also, noch mal Glück gehabt. Gemeinsam gingen wir dann Richtung Astorga und ich merkte gleich, das die drei Freunde sehr langsam unterwegs waren. Durch Astorga gingen wir noch gemeinsam dann tat sich vor uns eine lange Ebene auf an deren Ende der Aufstieg zum Puerto de Foncebadon auf uns wartete. Nun kam meine Zeit. Meine Beine fühlten sich sehr gut an und so ging ich dann los, ohne mich nochmals zu verabschieden und ohne mich nochmals um zu drehen, ehrlich gesagt sollte niemand meine Tränen sehen, hätte nicht gedacht, das mir das passiert. Und so lief ich denn weiter und immer weiter, bis hinauf nach Foncebadon, das waren etwa 40 Km und als ich dort ankam, wollte ich eigentlich noch weiter laufen. Aber kurz vor dem Gipfel zog ein Wetter auf und ich übernachtete in Foncebadon.
Am nächsten Morgen regnete es in Strömen und dieses Mal musste der Regenponcho seine Pflicht erfüllen. Gemeinsam Mit einem jungen Mann und Marathonläufer ,Frank aus Hockenheim ging ich zum berühmten Cruz de Ferro in einer Höhe von ca. 1500m.  an dem ich mein ,,Sorgensteinchen,, das ich von daheim mitgenommen hatte, niederlegte. Übrigens eine Tradition seit über tausend Jahren. Frank machte noch schnell ein Foto und dann ging es weiter in die Wolkenwand Richtung Ponferrada.


Am Cruz de Ferro

Auf Wegen, auf denen ich noch vor ein paar Wochen noch nicht einmal im Traum gedacht hätte zu gehen, liefen wir talwärts. Felsige kleine Pfade mit Geröll und durch den Regen aufgeweicht, führten steil nach unten. Sehen konnten wir nicht so sehr viel, noch war alles in den Wolken. Aus dem Nebel vor  uns tauchte eine Bar auf und davor standen viele Rucksäcke. Also für uns ein Zeichen, eine kurze Pause ein zu legen. Runter mit dem Rucksack, das Teil unter einem Vordach abgestellt und rein in's Warme. Da saßen schon einige Pilger bei Kaffee, Tee, Cola Cao und Bocadillos. Unseren Regenponcho hingen wir an einen Haken und setzten uns an die Theke. Einen großen Tee, stark und heiß,, wunderbar. Eine Frau stürmte herein, durchnässt und mit einer rot gefrorenen Nase. Ein kurzer Toiletten Besuch und schon wollte sie weiter, : Hola, nicht so schnell , Du bist ja total durchgefroren trink erst mal etwas was warmes. Ich hielt ihr meinen Tee entgegen, sie trank ein paar kleine Schlucke und war auch schon wieder verschwunden, raus in den Nebel. Auch wir gingen weiter Richtung Ponferrada und dann rissen die Wolken auf und der Blick insTal war frei. Waaas! So weit müssen wir noch runter? Ich hatte gedacht, das Meißte läge schon hinter uns. Ganz tief unten sahen wir die Stadt.


Abstieg von Foncebadon

Langsam begann mein linker Fuß zu schmerzen , irgendetwas stimmte nicht, war wohl doch ein wenig zu viel? Frank lief wie aufgezogen. Na ja, die Kraft der Jugend und sein Training für seine Marathon Läufe machten sich bemerkbar. So langsam verloren wir uns aus den Augen aber ich mußte einfach etwas ,, Fahrt ,, raus nehmen. Endlich hatte ich es geschafft. Die Pilgerherberge von Ponferrada. Als ich durch das Tor ging, sah ich so an die dreißig Pilger, die darauf warteten,das sie die Tür der Herberge öffneten. In der Regel konnte man gegen 14.00 Uhr in eine Herberge herein und sollte sie am nächsten Morgen spätestens um 8.00 Uhr wieder verlassen haben.Ich bekam meinen Stempel in meinen Credencial ( Pilgerausweis ) Und wurde nach oben geführt. Aufenthaltsraum, Internet, Waschräume und Schlafräume mit jeweils acht Doppel -Stock-Betten sehr sauber und ordentlich. Nach dem Duschen kümmerte sich einer der Mönche um die Fußkranken und auch ich wurde von ihm versorgt. Auf meinem linken Fußgelenk hatte sich ein richtiger Buckel gebildet und schmerzte schon heftig. Salbe drauf einmassiert , der Nächste bitte.Ich setzte mich in den Aufenthalts Raum betrachtete meinen Fuß und dachte schon daran, das ich mein Ziel Santiago de Compostela vielleicht doch nicht erreichen würde.Eine Frau setzt sich neben mich schaut auf meinen Fuß und sagt:,, Na war wohl ein wenig zu viel heute? '' Ich erkannte die Frau aus der Bar, die ,mit der ich meinen Tee geteilt hatte. Sie meinte ich könne damit sicher weiter laufen, tut zwar manchmal weh aber es kann dabei nicht großartig was passieren.No Pain , No Glory. Soll ich das glauben?Sie machte auf mich einen sehr Vertrauen erweckenden Eindruck so, als würden wir uns schon Jahrelang kennen. Dann sagt sie mir,das sie Physiotherapeutin ist und es bestimmt beurteilen kann. Man war das ein Glück, wieder wurde mir geholfen und mit einem wesentlich besseren Gefühl als noch vor ein paar Minuten, humpelte ich zu meiner Koje zog mir meinen Schlafsack über die Ohren und schlief trotz des Schnarchens einiger Mitbewohner und trotz der vielleicht nicht ganz so sauberen Luft in unserem Schlafraum, beruhigt ein.

Schlafraum in der Albergue von Corrion de los Condes

In den nächsten Tagen hatte ich mit dem Schmerz in meinem Linken Fußgelenk noch etwas zu kämpfen. Dank Salben Verbänden und ein wenig Schonung, ging die Schwellung auf meinem Fuß, langsam zurück. Ohne die Hilfe meines rettenden ,,Engels,, Ulla, hätte ich meine Pilgertour sogar beinahe abgebrochen . Außerdem lernte ich noch ihre Freundinnen Lisa und Katriina, kennen. Katriina eine pensionierte Lehrerin auf Helsinki, eine echte Frohnatur bei ihrem Lachen blieb einem nichts anderes übrig, als mit zu lachen.Jedoch mit ihrem Gesangsvortrag während der Pilgermesse in Ponferrada, überraschte sie uns alle. Sie sang mit einer wunderbar klaren Stimme ein finnisches Kirchen Lied und wir waren alle sehr andächtig und beeindruckt.Zu unserer kleinen Gruppe gesellten sich noch zwei Paare aus Österreich/ Kärnten und so langsam wuchs wieder eine kleine Familie in Freundschaft zusammen. Es ist schon seltsam, manchmal begegnet man sich tagelang überhaupt nicht und dann läuft man sich aller paar Kilometer über den Weg. Der Camino führte uns über Villafranca del Bierzo nach La Faba, immer näher zu meinem großen ,,Angst Berg,, hinauf nach O Cebreiro und weiter den Pass von San Roque und den Alto do Poio in die Region Galicien.

        

Albergue Iglesia de San Andres, 18.Jh. Von der deutschen                 
Gesellschaft Ultreya 2004 restauriert.

Die Albergue von La Fab, restauriert und geführt von der deutschen Ultreya Gesellschaft, direkt am Fuße des O Cebreiro, war eine der angenehmen Refugios auf meinem Weg. Ausgestattet aus Beständen der Bundeswehr ( Betten, Stühle und Kleinmöbel ) war sie eine freundliche, saubere und liebenswert geführte Herberge. In dem kleinen Kirchlein der Iglesia de san Andres gleich nebenan, fand abends eine Pilgermesse der besonderen Art statt. Eine Predigt, die ein Mönch verlas die von den Hospitaleros übersetzt wurde und anschließend sollten wir uns alle der Reihe nach in die Arme schließen, was ein wahres Durcheinander verursachte.Aber unheimlich lieb gemacht und sehr einfühlsam. Nach der Messe gingen wir zu einem kleinen Lokal um unser ,,Pilgermenue,, zu verzehren. Wir tauschten unsere Adressen vorsorglich schon mal aus, denn ich hatte die Befürchtung, das ich nicht so schnell über den Cebreiro Pass komme wie meine Freunde und ganz aus den Augen verlieren, wollten wir uns dann doch nicht.
Am nächsten Morgen wurde es dann ernst. Es ging auf den Cebreiro, den ich mir daheim im Internet, so oft angeschaut hatte und der mir schon ein mulmiges Gefühl im Bauch verursachte.Gott sei Dank machte mir mein Fuß keine größeren Beschwerden an diesem Morgen. Früh um 6.30Uhr ging ich dann los, ohne Frühstück, nur einen halben Liter Wasser mit einer Magnesiumtablette darin aufgelöst zur Vorbeugung von Muskelkrämpfen und Sehnenentzündungen. Niemand war vor mir zu sehen. Es war sehr kalt und trotzdem, nach nur 300Metern musste ich meine Jacke ausziehen und bin im T-Shirt weiter gelaufen. Steinige kleine Pfade durch kleine Dörfer deren Häuser aus Naturstein gebaut und mit großen Schiefer Platten gedeckt waren.In der Nacht hatte es etwas geregnet und die Wege waren nass, mit Kuhfladen übersäät und rutschig. Weiter ,immer weiter nach oben schraubte sich der Jakobsweg und dann stand ich vor dem Grenzstein,, ich war in der Region Galicien angekommen, deren Hauptstadt mein Ziel, Santiago de Compostela ist.


Grenzstein der Region Galicien in der Provinz Lugo

Weiter ging der Aufstieg vorbei an Heidesträucher die bestimmt so an die 1.50m hoch waren und an leuchtenden Ginsterbüsche mit einem wunderbaren Blick auf die Gipfel von San Roque und Alto do Poio. Es blieb allerdings wenig Zeit zum Schauen,weiter nach oben immer steiler und steiniger. Ich kam zu einer Mauer und dort standen meine Freunde aus Kärnten, hatte überhaupt nicht bemerkt, das sie vor mir waren. Sie machten eine Pause und zogen sich gerade ihre Jacken an. Ich wollte schon vorbei laufen,als sie mich fragten, wo ich denn wohl so schnell hin wollte, jetzt da wir in O Cebreiro angekommen sind, könnten wir doch eine kleine Pause machen und vielleicht einen Tee zusammen trinken? Wie ?? In O Cebreiro ?? bin ich schon oben ?? Ich hatte überhaupt nicht bemerkt, das ich meinen ,,Angstberg,, bereits bezwungen hatte. Danke mein alter ,,Sani,, ich hatte dir nicht geglaubt, das ich einmal über den Cebreiro Pass fliegen würde, danke Paul, an seiner Seite habe ich gelernt ausdauernd zu laufen und danke Ulla, ohne dich wäre ich vielleicht schon wieder daheim und schaute mir diesen Berg immer noch im Internet an. Als ich gerade zu einer kleinen Bar gehen wollte, kamen auch schon Ulla und Katriina den Berg herauf gestürmt. Glücklich endlich oben zu sein vielen wir uns in die Arme und beglückwünschten uns. Galicien: Von allen Regionen Spaniens ist Galicien die geheimnisvollste, wie ich später am eigenen Leib noch erfahren sollte. Wie nirgends in Spanien ist bis heute vorchristliches Gedankengut verwurzelt, haben uralte Kulturen ihre Spuren hinterlassen wie z.B. die Kelten, die hier von 700 v. Chr. bis zum Einfall der Römer um 135 v. Chr. siedelten. Die Sprache hier nennt man Gallego es ist eine sehr weiche, melodiöse Sprache, die dem Portugiesischen sehr nahe kommt.Aber auch hier wie übrigens auf dem gesamten Jakobsweg ist die gebräuchlichste Sprache unter den Pilgern immer noch Englisch


In O Cebreiro vor einem der keltischen Rundhäuser

Nach einem heißen Tee und nach dem ich meine Teleskop-Wanderstäbe (  die ich von Anfang an nicht mochte ) gegen einen richtigen stabilen Wanderstock getauscht hatte, ging ich zunächst allein weiter. Der Himmel zog sich langsam zu mit meiner Kamera machte ich ein paar Aufnahmen von Wolken Gebilden, die aus dem Tal herauf zogen und dann überschlugen sich die Ereignisse. In einiger Entfernung sah ich, wie Ulla ihren Regenponcho auspackte und mir zurief ich sollte mich auch lieber auf einen Regenschauer vorbereiten.Riesige Wolken stürzten sich urplötzlich auf uns herab, es sah aus, als wollten sie uns direkt angreifen,und die ganze Szene wirkte alles in allem sehr bedrohlich und regelrecht Furcht einflößend.Innerhalb von zwei Minuten hatte ich meinen Poncho übergestreift, keine Minute zu früh, schon prasselte der Regen auf uns herab und wir standen mitten in den Wolken und der Wind peitschte uns die Böen in's Gesicht.

         

Angriffslustige Wolken auf dem Pass San Roque in Richtung Triacastela

Bis in's Tal hinunter begleitete uns der Regen und genau so Überfallartig wie er gekommen war, verschwand er auch wieder. Die Sonne schaute zwischen den Wolken hervor und ich merkte, wie verschwitzt ich unter dem Poncho war. In einem kleinen Dörfchen öffnete sich die Türe eines uralten Bauernhauses und ein altes Mütterchen bot uns frische Pfannkuchen mit Zucker an, unheimlich lieb die ,, alte Frau,, ich gab ihr ein paar Euro und sie lachte über das ganze Gesicht und zeigte ihre drei Zähne , die ihr noch geblieben waren und verabschiedete sich mit:,, Buen Camino Peregrino!! Wir gingen noch weiter bis zu der Herberge in Triacastela , wo wir auch Katriina und die Kärntener wieder trafen.
Für das nächste Etappen Ziel, Sarria, gab es zwei Möglichkeiten. Eine kurze Variante über Waldwege und einen längeren Weg, der unter anderem auch zu dem Kloster Samos führte aber auf Teer Straßen zu gehen war. Wir beschlossen gemeinsam auf dem schöneren aber auch kürzeren Weg der nicht am Kloster vorbei führte, zu gehen. Da kannst du deinen Fuß mal wieder etwas verschnauffen lassen, meinte Ulla. Nun gingen wir los. Katriina war schon weg und die Kärntener auch. Wir kamen an den Abzweig zum Kloster Samos und gingen eben in die andere Richtung, warum wir Stunden später doch am Kloster gelandet sind, weiß kein Mensch.Wir gingen durch Wälder mit alten Eichen genauer gesagt mit Ur-Alten Eichen. An ihren Stämmen wuchs Efeu und dichtes Moos, es sah aus wie in einem Zauberwald. Unterwegs trafen wir Lisa und liefen ein Stück gemeinsam. Das Kloster Samos, gegründet um das 5/6 Jh. gilt als eines der ältesten Klöster der westlichen Welt. Leider ist nur ein kleiner Teil des Klosters zu besichtigen,es werden zahlreiche Restaurierungsarbeiten durchgeführt.Nachdem wir uns einen Stempel in unserem Pilgerausweis im Vorraum des Klosters abgeholt hatten gingen wir zu einer kleinen Bar. Hier gab es mal wieder Tee, Cola Cao und Bocadillos.Das würde ich daheim sicherlich vermissen. Gleich hinter dem Ort Samos ging es wieder in den ,, Zauberwald,,

    

Durch den ,, Zauberwald,, Oftmals waren unsere Schuhe im Matsch versunken

Der Gelbe Pfeil, unser Wegweiser, dem wir schon so viele Tage vertrauten, war allgegenwärtig, man konnte sich einfach nicht verlaufen, oder doch? Wir gingen Stunde um Stunde unser Freunde waren alle schon nicht mehr zu sehen.Eigentlich war seit Stunden niemand mehr zu sehen. Wie lange laufen wir eigentlich schon und wie lang war noch mal diese Etappe?? Das kann doch nicht sein, es sind doch nur 22 Km bis Sarria, wir müssten doch längst schon da sein, haben wir uns verlaufen?. So langsam bekamen die alten Bäume jetzt auch schon Gesichter und schienen uns anzuschauen.Da ist wieder ein gelber Pfeil, wir sind richtig. Hat sich jemand einen Scherz erlaubt? Bleib jetzt bloß an meiner Seite, Ulla. Nicht das du auch noch verschwindest. Schau mal, ist da nicht ein Haus? Gott sei Dank, vor uns lag eine sehr moderne Herberge, ganz neu und einladend. Sollen wir hier bleiben? Eigentlich ist es ja schöner so in der Altstadt, oder? Also gehen wir weiter Richtung Sarria, das man in einiger Entfernung jetzt auch schon sehen konnte. Durch einen wirklich absolut hässlichen Teil dieser Stadt gelangten wir in das historische Zentrum und fanden eine Albergue, klein, aber super sauber und sogar mit richtiger Bettwäsche. Also, den Schlafsack brauchten wir an diesem Abend nicht. Nachdem wir uns etwas ausgeruht, geduscht und unser Füße gepflegt hatten, besichtigten wir die Altstadt und gingen in einer Bar ein Bier trinken. Wer sitzt dort am Tisch ? Unser Freunde aus Österreich, na, das gab ein Hallo! Wo wart ihr denn? Wir hatten euch schon vermisst!Und unsere Freunde erzählten von einem ,,Zauberwald,, aus dem man nur schwerlich wieder heraus fand. Für 22 Km haben wie 7 Std. benötigt, das geht gar nicht, was ist dort nur mit uns passiert und überhaupt, wo ist Katriina? Als sollte das das Stichwort sein, die Tür ging auf und herein kam, über das ganze Gesicht lachend,,, Katriina.


...froh unsere Frende aus Kärnten wiedergefunden zu haben, fragten wir uns: Wo um alles in der Welt ist Katriina?

Wir fielen uns in die Arme, das wir uns alle wieder hatten, wunderbar. Es ist doch schön, wenn man Freunde hat. Diese Nacht war eine ganz besondere Nacht. Ich lag noch lange wach, musste alles Erlebte noch einmal verarbeiten. Ernsthafte Gespräche über Themen worüber ich noch nie diskutiert habe. Einen Wald den ich so noch nie erlebt habe, ernsthafte Gespräche über Gott und die Welt ,alte Dörfer die menschenleer waren und dann unter einer richtigen Bettdecke Schlafen. Das ist schon was ganz Besonderes. Fängt jetzt mein ernsthafter, mein nachdenklicher Camino an?
Aber die Trennung von meinen Freunden war mal wieder vorprogrammiert.Katriina mußte am Dienstag in der Frühe am Flugplatz Santiago/ Lavakolla sein und von dort aus ging ihr Heimflug mit Zwischenstop in Barcelona, nach Helsinki und das bedeutete, sie hatte es sehr eilig. Ich für meine Person plante einen erneuten Ruhetag in Portomarin, denn mit meinem Fuß war es so eine Sache. Mal konnte ich laufen ohne Beschwerden und mal musste ich alle paar Meter stehen bleiben und den Schmerz herunterschlucken. So gingen wir dann nach Portomarin. Unterwegs kaufte ich für Katriina ein paar kleine Wanderschuhe als Andenken an mich und den Camino. Auf die Sohlen der Schuhe malte ich ein Herz und schrieb meinen Namen darunter. Unser Abschied in Portomarin war schon heftig. Wir waren doch eine Richtige Familie geworden. Lisa und Ulla wollten ihre Freundin natürlich begleiten und gemeinsam mit ihr nach Santiago herein laufen, das war dann doppelt zu schlimm für mich,weil auch die Kärntener beschlossen hatten, weiter zu gehen. Soll das alles so auseinander brechen? Soll ich meine Freunde hier in Portomarin das letzte mal sehen? Meine Pilgerschwester Ulla, die doch schon zu meinem Schutzengel geworden war und die mich auch so auf den richtigen Weg gebracht hatte ?

...zum Abschied ein Paar Wanderschuhe für meine Pilgerschwester Kariina uns Finnland

Am nächsten Morgen stand ich auf, wie gewohnt so gegen 6.00 Uhr und wollte schon meinen Rucksack packen. Da viel mir ein, ich hatte ja einen Ruhetag, kann ausschlafen und muß nicht laufen. Trotzdem rannte ich die Treppe herunter, raus auf die Straße und ich sah gerade noch wie Lisa, Katriina und Ulla im morgendlichen Nebel verschwanden und mir zog es mein Herz schon etwas zusammen. Nach einem kleinen Frühstück und nachdem ich meine Wäsche gewaschen hatte, ging ich hinunter an den Stausee. Das heutige Portomarin ist ein Produkt aus den 60er Jahren des 20 Jh. Damals wurde der Rio Mino für den Embalse de Belesar aufgestaut. Das alte Dorf, einst einer der blühendsten und reichsten Orte Galiciens, verschwand im Wasser. Lediglich die Kirche San Pedro und San Nicolas wurden Stein für Stein abgetragen und im neuen Ort wieder aufgebaut.Am Ufer angelangt, setzte ich mich in die Sonne, die es endlich mal wieder gut meinte, es war ein herrlicher Tag welch eine Ironie. Ich fühlte mich total verlassen und schrieb das auch alles in mein Tagebuch. Ich tat mir so richtig selber leid. Ich ging die Treppen hinauf zu dem großen Steintor, von dem aus man einen wunderbaren Blick hatte über den See und über die Lange Brücke,über die auch wir gestern noch gegangen waren.


...mein Blick vom Steintor über den Stausee und die große Brücke

Die ersten Pilger kamen schon über die Brücke, stiegen die Treppe hinauf und gingen grußlos an mir vorbei, auch die nächsten und auch alle die noch kamen. Was war passiert? Warum gehörte ich plötzlich nicht mehr dazu? Niemand wünschte mir einen buen Camino und niemand begrüßte mich mit einem Hola.Mir wurde klar, das, so wie ich dort oben saß,mit einfacher Hose und T-Shirt, mich niemand als seinen Pilgerbruder erkannte und auch meine Jakobsmuschel, das Zeichen der Jakobus Pilger hatte ich nicht um meinen Hals gehängt. Immer wieder schaute ich über diese Brücke, kommt vielleicht einer meiner Freunde zurück, kommt vielleicht irgend jemand den ich kenne? Es waren alles fremde Gesichter und ich stand auf , ging ziellos durch den kleinen Ort ,zu den einzelnen Refugios und schließlich in die Kirche San Pedro wo ich vor dem Altar mein Herz ausschüttete. An diesem Abend ging ich sehr frühzeitig zu Bett, das doch nur die Nacht schnell vergeht. Am nächsten Morgen, endlich war die Nacht vorüber, packte ich in rasender Eile meinen Rucksack, zog meine Jacke an, schnappte mir meinen Pilgerstab und los geht's. Kaum das ich ein paar Meter gelaufen war, fing es an zu regnen, also mal wieder den Regenponcho raus und übergestreift, darin hatte ich ja nun schon einiges an Übung. Aber egal, mein Fuß schien noch zu schlafen, denn ich merkte ihn überhaupt nicht. Vielleicht war der Ruhetag wirklich gut für meine entzündete Sehne, aber für meine Seele war er eine Qual. Wie dem auch sei, ich marschierte los, wie besessen, Pilger an denen ich vorbei flog, gingen hastig zur Seite und selbst die Straßen Köter in den kleinen Dörfern, die mir nie etwas getan hatten, sprangen schnell zur Seite und schauten mir total verstört hinterher.Kilometer um Kilometer ,, rannte,, ich durch die Wälder Galiciens. In einer Bar machte ich einen kleinen Stop und genemigte mir einen heißen Tee, nicht einmal den Rucksack setzte ich ab, keine Zeit. Am Nachmittag kam Palas de Rei in Sicht. Auf meinem Weg in die Stadt kam ich an einem Kirchlein vorbei, die Tür stand offen und ich ging hinein. Da stand ich total durchgeschwitzt und ausgepumpt vor einem wunderschönen Altar aus Holz und musste an alle meine Freunde denken von denen ich mich schon auf meinem Camino verabschieden musste und dann gab es kein halten mehr. Tränen liefen mir über das Gesicht und ich konnte mich überhaupt nicht wieder beruhigen. Ein Mönch kam aus einem Nebenraum zu mir, nahm mich in den Arm und fragte.,, Kann ich helfen?'' Aber mit seiner Geste hatte er mir schon geholfen, so langsam kam ich wieder zur Ruhe und verabschiedete mich herzlich und ging weiter in die Stadt hinein.Direkt an der Hauptstraße im Zentrum der Stadt lag das öffentliche Refugio,in dem ich übernachten wollte. Ich legte meinen Pilgerausweis vor und wollte mir einen Stempel geben lassen und bekam einen großen Schreck. Was ist das denn jetzt, das ist doch nicht mein Ausweis,nee, das gibt es doch nicht, das ist doch nicht möglich, da stand der Name von Ulla auf dem Pass. Ich fasse es nicht. Kaum das ich mich von meinem ersten Schreck erholt hatte, klingelte mein Handy. Hallo Jürgen, ich glaube uns ist da was passiert, so meldete sich Ulla. Da hatten wir doch Tags zuvor alle gemeinsam unsere Ausweise in Portomarin zum abstempeln vorgelegt und dabei haben wir wohl unsere vertauscht. Man ist eben nicht mehr der Jüngste. Nur gut, das es moderne Kommunikationstechnik gibt.Ich nahm mir ein Taxi und fuhr nach Arzua, bis dorthin waren meine Freunde schon gelaufen. Das gab ein großes Hallo und wir mussten einiges an Spott über uns ergehen lassen. Aber wir wollten ja alle gern am Ende unseres Camino dir Urkunde, die Compostela, erhalten und dafür mussten die Stempel alle in Ordnung und in der richtigen Reihenfolge im Pass gestempelt worden sein. Selbst der Taxi-Fahrer hat mich ausgelacht, ich glaube, er hatte wohl verstanden, was geschehen war. Er fuhr mich zurück nach Palas de Rei und am Ziel angekommen berechnete er mir, mit einem Lachen und einem Kopfschütteln, nur einen Weg.
Abends verzehrte ich ein einem Gasthaus mein Pilgermenue allein und zurückgezogen.Ich vermisste meine Freunde sehr. In einer Ecke im Lokal stand ein PC mit Internet Zugang, da konnte ich dann schnell mal in meinem lieblings Forum Short View ein Paar Zeilen für meine Freunde schreiben.
Am nächsten Tag lief ich dann bis Melide.Eine sehr unschöne Stadt laut und hässlich, gefiel mir gar nicht und ich wollte schon weiter gehen, war schon aus der Stadt wieder raus und entschied mich dafür, doch wieder um zu drehen und in dem öffentlichen Refugio zu übernachten. Ich ging den Camino ca 2 Km zurück und alle die mir entgegen kamen schauten mich fragend an. Dann sagte jemand zu mir:,, Wo willst du denn hin, hasse disch verlauffe? Da stand Ditmar aus Frankfurt vor mir der mit mir und meinen Freunden in Justo de la Vega Geburtstag gefeiert hatte. Wir unterhielten uns nur kurz. Ditmar meinte, das es für ihn jetzt langsam Zeit ist wieder heim zu kommen : Ich bin es so leid, auf Straßen zu laufen die mit Kuhfladen überäät sind und dann der ewige Regen, für ihn stand fest, er will so schnell wie möglich heim!Wir verabschiedeten uns mit einem buen Camino und ich ging zurück in das Refugio.Als ich den Ankunftsraum betrat waren schon einige Pilger da, die sich in der Gästeliste eintragen wollten und ich stellte mich in der Reihe an. Mit einem Mal hörte ich jemanden meinen Namen rufen. Jürgen! Was machst du denn hier. Da stand in der Reihe der wartenden Pilger mein Freund  Aloy, ja gibt es denn so was, was macht dein Knie? Alles in Ordnung? Und was machen Hans und Paul? Ah ja, die sind also noch weit zurück.Manchmal sieht man sich halt wochenlang nicht und dann läuft man sich doch irgendwann wieder über den Weg. Natürlich beschlossen wir, die restlichen paar Kilometer gemeinsam bis Santiago de Compostela zu laufen.
In den Nächsten Tagen kehrte die Sonne zurück, endlich mal wieder ohne Regensachen laufen, ich hatte mich schon richtig daran gewöhnt.Wir gingen Über Arzua nach Pedrouzo, wo wir in der öffentlichen Herberge übernachteten. Ein riesiger Schlafraum und auch sehr große Sanitäre Anlagen. Denn viele Pilger wollen nur die letzten hundert Kilometer laufen, um die Urkunde, die Compostela zu erhalten. Und da wird es dann richtig voll auf dem Camino und spätestens ab Portomarin ist es vorbei mit der Ruhe.Wir gingen in einem Lokal in Pedrouzo etwas essen ,dieses mal kein Pilgermenue. Alois bestellte sich zwei Portionen Pulpo, Tintenfisch, eine Spezialität hier in Galicien. Wir beschlossen,am nächsten Tag nur eine kleine Etappe, bis Monte de Gozo, zu laufen da können wir dann noch mal unsere Wäsche waschen und gehen dann den letzten Tag unserer Pilger Reise nur noch 5 Km bis Santiago , wir können uns dann Zeit lassen und ganz gemütlich gehen damit wir pünktlich zur Pilgermesse um 12.00 Uhr an der Kathedrale von Santiago de Compostela, ankommen. Ein wirklich komisches Gefühl, das Ende der Pilgerschaft, was wird in Santiago werden? Ich stellte mir vor, das alle denen ich auf meinem Jakobsweg begegnet bin, da stehen und sich verabschieden. So wie im Theater, wenn sich alle zum Schluß noch einmal verbeugen. Aber die meisten meiner Freunde sind schon weg oder noch weit hinter mir, wird wohl keiner da sein mit dem ich meinen Pilger Abschied feiern könnte.
Am nächsten Morgen gingen wir schon früh los, damit wir zeitig in Mont do Gozo eintreffen um unsere Wäsche noch zu waschen und natürlich auch zu trocknen. Es war kühl aber im Moment noch trocken. In San Paio kehrten Alois und ich in einer Bar ein und genemigten uns einen Tee. Ich könnte ja mal bei Ulla anrufen, ich glaube sie ist heute zum Kap Finisterre gefahren.Mit dem Omnibus erreicht man das Kap von Santiago aus in ca 2.5 Std. und dort sollte man nach alten Brauch etwas das man auf dem Pilgerweg getragen hatte, verbrennen.Ich nahm mein Handy und wählte ihre Nummer. Ja? Hallo Jürgen, gut das du anrufst. wir sind alle noch in Santiago bis auf Kartiina ,sie ist gestern Richtung Heimat geflogen. Wo seid ihr denn?So, ihr wollt auf dem Monte do Gozo noch mal übernachten, hmmm. Wollt ihr nicht heute schon nach Santiago kommen? Wir warten auf euch und es würden sich bestimmt alle sehr freuen. Was sollen wir tun,noch lange überlegen? Ich fragte Aloy :,, Was meinst du? Was macht dein Knie, würde es gehen? Schaffen wir das bis 12.00 Uhr? Dann müssen wir die letzten ca. 15 Km in 2 Std. laufen. ,,Mein Knie ist ok.'' und was ist mit dir? Was macht dein Fuß? Ich glaube, der schläft noch. Also, was gibt es da noch zu überlegen? Wir bezahlten unseren Tee und los geht die wilde Jagd.Vorbei am Flugplatz Lavacolla über den Monte do Gozo, zwischenzeitlich mußte auch der Regenpocho noch mal an's Tageslicht wenn auch nur für kurze Zeit. Und dann sahen wir die Stadt. Straßen, Autos, Hochhäuser, Lärm und wo bitte schön sind die Türme der Kathedrale? Nichts zu sehen davon. Immer weiter den Gelben Pfeilen nach über einen Kreisverkehr, zwischen den Autos durch. Und dann plötzlich, es war kein Pfeil mehr zu sehen. Wir suchten jede Straße um uns herum ab. Nur noch 20 Min. bis zur Pilgermesse, wenn das mal gut geht. Ein etwas älterer Spanier blieb stehen und amüsierte sich über uns. Er legte mir seine Hand auf meine Schulter und zeigte in eine Richtung:,, Kathedrale!'' Sagte er und lächelte mich an.Muchas Gracias Senor. Danke, Tausend Dank. Und weg waren wir.
Und dann sahen wir sie, die Türme der Kathedrale, ich bekomme noch heute eine Gänsehaut, wenn ich an diesen Augenblick denke. Das , für mich schönste Bauwerk aller Zeiten, jedenfalls in diesem Moment.


Die Kathedrale von Santiago de Compostela, unser aller Ziel, die wir auf diesem Camino waren.

Vor uns , an der Seite der Kathedrale, war ein Durchgang, nur noch wenige Minuten, dann fing die Pilgermesse an. Wir stürmten durch diesen Gang und standen auf dem großen Platz, dem Praza do Obradoiro,direkt am Haupteingang und dann brach es über uns herein. Ulla rannte uns entgegen und nahm uns beide in die Arme und wollte uns gar nicht wieder los lassen, Lisa war da und begrüßte uns ganz herzlich. ,,Die anderen sind schon drinnen '' Sagte Ulla, die vor Freude ganz aus dem Häuschen war. Das ihr das noch geschafft habt,super. Aber jetzt rein mit euch denn heute wird es voll, es sind viele Besucher da.Gemeinsam gingen wir in die Kathedrale, so wie wir waren durchgeschwitzt, den Rucksack auf dem Rücken und mein Pilgerhut war total von Schweiß getränkt aber überglücklich. Endlich am Ziel. Ulla kannte sich ja schon aus in der Kathedrale und zeigte uns, wo wir trotz der vielen Menschen noch gut sehen konnten.Ich hatte das Gefühl, uns starren alle an.Erst mal den Rucksack runter und den Hut vom Kopf und dann begann auch schon diePilgermesse. Total ergriffen standen wir da und konnten es noch immer nicht fassen.Ulla stupste mich an.,, Habt ihr ein Glück, ihr müsst was ganz besonderes sein'' Wieso sagst du das?,, Schau doch mal, sie binden den großen Weihrauchkessel los, das wird normalerweise an Feiertagen gemacht oder wenn jemand eine etwas größere Spende gegeben hat. Und tatsächlich, wir durften erleben, wie dieser Große Kessel durch die Kathedrale geschwungen wurde, sagenhaft. Ich glaubte ja, das man das wegen uns gemacht hat, vielleicht haben wir so streng nach Schweiß gerochen und man wollte das mit dem Weihrauch überdecken.


Pilgermesse in der Kathedrale von Santiago de Compostela

Mir lief ein kalter Schauer nach dem anderen über meinen Rücken und auch Alois stand sehr ergriffen neben mir. Unbeschreibliches ging in mir vor.
Nach der Messe versammelten sich alle unsere Freunde vor der Kathedrale, da waren die Kärntener, die Frau aus Polen mit ihrem Sohn, der Polizei Chef aus Kanada mit Frau und noch viele mehr.Ich nahm mein Handy zur Hand und wählte die Nummer von Paul. Hallo Paul,,, ich bin da, ich bin angekommen und Aloy ist auch bei mir. Wenn du und Hans doch auch da sein könntet. Er gratulierte uns und wünschte uns noch eine schöne Abschlußfeier. Aber zunächst benötigten wir mal ein Zimmer und dann raus aus den verschwitzten Sachen. Ganz in der Nähe der Kathedrale wurden wir fündig. Aloy und ich nahmen je ein Einzelzimmer die so klein waren, das man kaum darin stehen konnte. Aber egal, wir waren da, wir waren am Ziel, jedoch noch nicht am Ende. Nachdem wir geduscht und uns einigermaßen wieder zurecht gemacht hatten, trafen wir Ulla in einem Caffee nebenan. Sie hatte auf uns gewartet um mit uns zum Pilgerbüro zu gehen, wo es für uns die lang ersehnte Compostela, die Urkunde, geben sollte.Wir öffneten die Tür und eine Treppe führte nach oben in den ersten Stock, wo sich das Pilgerbüro befand. Viele Pilger waren dort auf der Treppe und warteten. Vor uns stand eine Gruppe Japaner und wir unterhielten uns auf englisch und sie sagten, das sie aus Tokio stammen. Weiter oben auf der Treppe stand ein junges Mädchen mit einem Geigenkasten, einer der Japaner ging zu dem Mädchen und bat ganz herzlich, sie möge doch etwas spielen, er komme aus Japan und sei Geiger bei der Tokioer Philharmonie. Nach anfänglichen Zögern, packte dieses Junge Mädel dann doch ihr Instrument aus und begann zu spielen, wunderbar, einfach nur schön und das alles, als ich meine Urkunde bekommen sollte.Alle standen ergriffen da und es ging keiner weiter in das Büro, bis das junge Mädchen fertig gespielt hatte. Unvergesslich , als erstes applaudierte der Japaner und dann alle anderen die dort auf der Treppe standen. Ich glaube , du bist doch etwas ganz besonderes sagte meine Pilgerschwester Ulla. Was dir alles geboten wird.Als ich an die Reihe kam wurde ich gefragt, aus welchen Beweggründen ich auf dem Camino gegangen war Sportliche Gründe?,,, nein, wirklich nicht. Spirituelle Gründe? Vielleicht, nach diesen ernsten Gesprächen bestimmt etwas. Oder waren es religiöse Gründe? Es waren religiöse Gründe, natürlich, hätte ich sonst so viel Trost und Menschenliebe in den Kirchen und Refugios erfahren? Meine Urkunde wurde ausgestellt und ein letztes Mal stempelte man mir meinen Pilgerausweis ab. Nun hielt ich sie in meinen Händen, meine Compostela. Jedoch die Pilgerschaft endet erst, wenn man seinen Schutzheiligen, Santiago umarmt hat, aber das geht erst wieder am nächsten Tag. Also beschlossen wie,uns einen schönen Abend zu machen und gemeinsam etwas Essen zu gehen.Und dann war plötzlich Ditmar aus Frankfurt wieder da. Wo kommst du denn jetzt her, ich dachte du bist schon lange daheim? Wir sollten noch viele Pilger wiedersehen an diesem Abend. Wir gingen durch Santiago und ich kannte dort mehr Leute , als bei mir daheim.
Am nächsten Morgen war mein großer Tag. Ich wollte mich bei meinem Schutzheiligen bedanken, das er mir so viele Sachen gelehrt hatte, das er mir so viele Freunde geschenkt hatte und das ich das alles erleben durfte. Ich ging zur Kathedrale und als ich mich umschaute war auch mein Schutzengel Ulla wieder da.,, Gehen wir gemeinsam''? Fragte sie mich.,, Sicher, ohne dich wäre ich schon lange zu hause und würde meinen Fuß pflegen, natürlich gehen wir diesen letzten Pilgerweg gemeinsam.Wir gingen durch das große Portal in die Kathedrale und dann zum Treppenaufgang, wo sich die Statue des Heiligen Jakobus befindet. Wir stiegen hinauf und einer nach dem anderen umarmten wir Santiago. Damit ist es nun vorbei, ab jetzt bin ich kein Pilger mehr, für wie lange? Das weiß wohl niemand so genau. Man sagt: Wenn man in Santiago angekommen ist, beginnt eine Glocke in einem zu schlagen und wenn der Klang der Glocke irgendwann verklingt, dann ist es wieder so weit, dann soll man wieder gehen.

...mit meinen Pilgersachwestern Ulla und Lisa

Meine Pilgerbrüder und Pilgerschwesten, die ich kennen lernen durfte, werde ich so schnell wohl nicht vergessen und ich frage mich, wie ich das, was ich auf meinem Camino erleben durfte, allen erzählen soll, die nicht dabei waren. Ich habe versucht, alles erlebte so wieder zu geben, wie ich es empfunden habe. Ob ich so etwas nochmal machen würde? Natürlich würde ich, aber vielleicht einen anderen Weg. Würde ich den Camino noch einmal gehen,dann würden mir meine Freund sehr fehlen, denn bei jedem Schritt und Tritt würde ich an alle die denken, die mich auf meinen Jakobsweg begleiteten.

                                                                                                                                                                         

Als ich in Poromarin unter dem großen Steintor saß schrieb ich etwas in mein Tagebuch, das ich auch hier niederschreiben möchte.

Pilger auf dem Jakobsweg sind wie Sonnenstrahlen, nur durch Sonne gibt es Leben, nur durch die Pilger gibt es den Camino. Auch ein Pilger den man weniger mag trägt dazu bei. Vielleicht ist gerade er es, der mit seinem Fuß einen Stein zur Seite räumt und uns allen damit den weiteren Weg ebnet. Die Sonnenstrahlen treffen auch mich. Manche fallen auf mein Gesicht und manche treffen mein Herz. Die Strahlen die mein Herz treffen, brennen sich tief ein und werden für immer bleiben.
So viele Sonnenstrahlen trafen seit mehr als 1000 Jahren auf den Camino und gaben ihm Leben und mir die Möglichkeit die Erfahrung Jakobsweg zu machen.

Darunter stand noch, ich möchte es nicht verheimlichen: Ich stelle mir Hans als Sonnenstrahl vor und muß lachen, ich glaube das ist dann aber ein recht gebündelter, starker Lichtkegel !

Nachruf

Am Sonntag den 08. März 2009 verstarb nach einer schweren Krankheit unser gemeinsamer Pilgerfreund Hans. In meiner Trauer, denke ich an die Zeit zurück, als er auf dem Camino vielen Pilgern ein hilfreicher Freund gewesen ist. Auch mir gab er die Kraft, meinen Jakobsweg gut zu überstehen. Immer wieder baute er uns auf und versorgte unsere kleineren Blessuren, körperlich und auch seelisch.
Im Namen aller meiner Pilgerfreunde möchte ich mich dafür bei Hans-Egon bedanken und ich bin mir sicher, das der hl. Jakobus schützend seine Hand über ihn hält, egal wo er jetzt auch sein mag. Auf seinem letzten Camino ist er nun allein auf sich gestellt, doch in unseren Gedanken werden wir alle bei ihm sein und ihm zurufen:
Buen Camino Hans- Egon!

                    Hans-Egon

 

                                                                                                     

   JAKOBUS

Nein, du lässt mich nicht im Stich,
Stehst mir bei und leitest mich,
Leuchtest strahlend mir ins Herz,
Teilst die Freude, fühlst den Schmerz.

Sterne sind dir wohlbekannt,
Bleibst mir nah im fremden Land,
Richtung gebend, hier und jetzt,
Heilend, was so sehr verletzt.

Wunden wandelst du in Wunder,
Schritt für Schritt, der Weg wird runder.
Und nach vielen Pilgertagen
Werden Dornen Rosen tragen.

O Jakobus, hochverehrt,
Pilgern lässt nie unversehrt.
Himmelwärts und abgrundtief
Zieht mich, der so machtvoll rief.