Der Jakobsweg in Norddeutschland

     Die Via Baltica
   


Zu dem weitverzweigten Netz der Jakobswege gehört auch die Via Baltica, der Baltisch-Westfälische Weg. Er führt über Königsberg, Danzig, Rostock, Lübeck weiter über Hamburg bis hinein nach Westfalen. Zwischen Lübeck und Hamburg verläuft der Pilgerweg nahe den früheren hanseatischen Verbindungswegen. Nach der Elbpassage unterhalb von Hamburg bei Wedel, stößt aus Stade kommend die Via Jutlandica aus dem hohen Norden dazu. Die Via Baltica führt uns durch Obstgärten, Geestlandschaften über Deiche und Moorgebiete. Das Ziel ist Bremen und von dort aus setzt sich der Jakobsweg fort in Richtung Osnabrück, weiter den Rheinischen Weg dann quer durch Belgien und Frankreich Nord Spanien nach Santiago de Compostela Somit gibt es nun eine durchgehende Verbindund zu unserem Schutzpatron, dem hl. Jakobus.

Wer nun glaubt, hier in Hamburg würde sich alles ändern, der täuscht sich gewaltig. Auch nach unserem zweiten Camino lässt uns das Pilgern auf dem Jakobsweg nicht los. Allerdings haben wir den Wunsch in uns, einmal von der Haustür aus los zu gehen. Also, von Hamburg nach Santiago de Compostela. Und wie soll man das bewerkstelligen, wenn man zwischendurch noch arbeiten muss? Die einzige Möglichkeit für uns besteht darin, den Weg in Etappen zu bewältigen. Also machten wir uns zu Pfingsten 2011 auf die Socken. Die ersten Wegstrecken von Hamburg nach Zeven, ca. 60Km in zwei Tagen. Wir waren gespannt, was uns  auf dieser Tour so alles passieren würde.

Gegen 7.00Uhr verließen wir unsere Wohnung im Wittigstieg in HH Rahlstedt und es war noch recht frisch auf dem Weg zum Bahnhof. Wir kamen an der Rahlstedter Kirche vorbei und mußten gleich einmal stehen bleiben, um einmal mehr dieses schöne Bauwerk zu bewundern. Gerade jetzt in der Blütenpracht der herrlichen Rosen. Mit der S-Bahn geht es Richtung Hamburg Hauptbahnhof und von dort weiter nach Wedel. Graue Wolken ziehen über den Himmel, als wir uns auf den Weg Richtung Fähranleger machen. Da gibt es eine offene Bäckerei, aus der uns der Duft frischer Franzbrötchen entgegen zieht. Natürlich versorgen wir uns dort mit ein paar Leckereien für unterwegs. Am Schulauer Fähraus angelangt beginnt es leicht zu regnen und mein Engelchen ist ganz schön sauer. Muss das jetzt sein?? Die ganzen Tage war es nun schönes Wetter und kaum spüren wir den Camino unter unseren Füßen fängt es zum Regnen an.
Das Schulauer Fährhaus oder auch Willkommens Höft. Hier werden alle Schiffe willkommen geheißen, die entweder nach Hamburg in den Hafen wollen oder verabschiedet, wenn sie sich auf ihren weiten Weg zum Ziel ihrer Reise machen. Der ,,Willkommenskapitän,, im Fährhaus kann aus einer Sammlung von über 150 Nationalhymnen schöpfen und Ansagen in mehr als 45 Sprachen machen.
Die Fähre nach Lühe kommt pünktlich und das ist auch gut so, denn es regnet nun immer stärker und Ulla hat so gar keine Lust, ihren Regenponco raus zu kramen.

  
        Vor der Rahlstädter Kirche                                      Am Schulauer Fährhaus

  
                 Die Fähre nach Lühe                                         Anleger in Lühe

Es war eine richtig schöne Überfahrt trotz des Regenschauers. Hinter uns sitzen ein Mann und eine Frau mit großen Rucksäcken, sind wir doch nicht die einzigen Pilger auf diesem Weg? Auch einige Radfahrer sind unterwegs, die sich sehr lautstark auf ihre Pfingsttour vorbereiten. Der nette Fahrkartenkontrolleur drückt uns einen Stempel der Fährlinie in  unseren Pilgerpass, den wir von der Jakobikirche in Hamburg bekommen haben. Ja, auch in Hamburg gibt es eine Pilgerbewegung und auch einen Pilgerpastor. Bernd Lohse ist seit 2008 in dieser Gemeinde im Amt und bemüht sich sehr um uns Pilger. Sein spezial Gebiet ist der Olafsweg Olafsweg  in Norwegen, auch ein sehr alter Pilgerweg mit dem Ziel Santiago de Compostela.
Kaum sind wir in Lühe an Land gegangen, sehen wir auch schon das erste Zeichen der Jakobsmuschel an dem Deichtor. Na, das ist ja wirklich erfreulich, da hat jemand sehr gute Arbeit geleistet. Der Weg führt uns auf dem Deich entlang wundervoller Gärten und Kirschbäume voller reifer Früchte. Natürlich müssen wir kurz stehen bleiben und einig der roten Kirschen pflücken. Direkt vor den Haustüren der Deichhäuser führt der Camino durch das Alte Land.
Befreit von den Sorgen des Alltags ziehen wir los und es ist eine wirklich große Freude in mir, endlich wieder die Last meines Rucksacks auf den Schultern zu spüren. Vor uns liegen ca. 60 Kilometer, nicht wirklich eine große Entfernung und trotzdem fühle ich ganz deutlich diese Anziehungskraft in Richtung Süd-West in Richtung Santiago.
Wir können uns kaum satt sehen an den wundervollen Häusern  und Gärten. Nette Menschen grüßen uns freundlich beim Vorübergehen und so mancher schaut uns fragen hinterher. Kennen sie unser Ziel. Wissen sie, was die Muschel an unseren Rucksäcken bedeutet? Manchmal denke ich, das im Großstadt Moloch Hamburg das Pilgern in Vergessenheit geraten ist. Täusche ich mich?

  
                          Auf dem Jühedeich                                                  Der Tisch ist reichlich gedeckt

  
                           An der Lühe                                                          Direkt vor den Haustüren führt der Camino

Nun waren wir doch erst im letzten Jahr, dem heiligen Jahr in Santiago und doch verspüren wir beide den großen Wunsch in uns, wieder auf den Camino zurück zu kehren. Die zwei Pilger, die wir schon auf der Fähre gesehen haben, laufen in einiger Entfernung vor uns und fast ist es wieder wie in Spanien,,,nur wesentlich ruhiger. An einem der Häuser müssen wir dann doch kurz stehen bleiben. Da gibt es einen Garten zu sehen, wie man ihn wohl kaum ein zweites mal zu sehen bekommt. Aus allerlei Schrott und Altteilen sind dort richtige kleine Kunstwerke entstanden. Ein futuristischer Turm aus Zahnrädern, Radiatoren und Gewindestangen, eine Windmühle aus Edelstahl und so einiges mehr. Unglaublich, was man so alles daraus machen kann.

  

Immer wieder schweifen die Gedanken zurück an den Camino Frances, an unsere Freunde und die schwere Zeit nach dem Camino. Wie gern hätte ich gerade jetzt meinen Freund Paul wieder an unserer Seite. So wandern wir in unseren Gedanken versunken durch die herrliche Landschaft.
Neben dem blau gelben Wegweiser begleitet uns sogar der gelbe Pfeil wie in Spanien, auf unserem Weg. Auf dem Muschelwegweiser fällt mir die Aufschrift,, Soroptimist,, ins Auge und wir rätseln, was das wohl sein könnte. Soroptimist International ist eine Organisation für Frauen in verantwortlichen Positionen im Berufsleben. Der örtliche Club Stade der Soroptimistinnen hat den Pilgerwegabschnitt Stade - Bremen rekonstruiert und mit Muschelzeichen versehen. Dafür bekommen sie ein ganz großes Dankeschön, denn der Weg ist wirklich gut markiert und beschrieben.
Weiter geht es durch langgezogene Reihendörfer, vorbei an alten Fachwerkhäusern mit kunstvollen Eingangspforten, an alten Steinkirchen und durch endlos erscheinende Alleen.
Wir erreichen das denkmalgeschützte Gut Daudiek in der Aueniederung. Eine Straße mit sehr altem Kopfsteinpflaster führt uns über das Anwesen mit seinen hübschen Fachwerkhäusern und dem kleinen See. Alte Bäume, die Hauswände mit Rosen und Wein bewachsen,, eine Idylle pur.
                    
  
Wegweiser der Soroptimisten                                                               Gut Daudiek

  
Fachwerkhäuser mit Rosen                                                           Wegweiser an einer Eichenallee

Wir verlassen das Gut über eine Eichenallee und kommen in ein kleines Wäldchen. Auf der rechten Seite fallen uns einige Zelte auf einer Wiese ins Auge. Hat hier die Bundeswehr ein Zeltlager aufgeschlagen? Oder vielleicht haben sich Pfadfinder hier ein Lager eingerichtet? Dann sehen wir ein Schild mit der Aufschrift ,, Bitte nicht füttern,, wichtiger Tierbestand. Was hat das denn nun zu bedeuten?



Zeltlager??

  
                                      Schweine haben es sich in der Mittagssonne gemütlich gemacht

Als wir näher kommen erkennen wir eine große ,,Schweinerei,, Da haben es sich doch große Schweine in der Mittagssonne gemütlich gemacht und auch der Nachwuchs scheint sich hier besonders wohl zu fühlen. Übermütig tollen die Ferkel zwischen den Behausungen herum. Kaum zu glauben.