Es geht wieder los

                                 
Zwei Jahre sind nun fast vergangen, das ich mich auf das ,,Erlebnis Jakobsweg'' eingelassen hatte. Vieles hat sich seitdem verändert. Freundschaften wurden geschlossen, Freunde sind von uns gegangen und manche Menschen mussten wir auch enttäuschen. Habe ich meine Bestimmung auf dieser Erde erkannt? Vieles was mich der Camino gelehrt hat, beeinflusst nun mein Leben und dann sehne  ich mich plötzlich zurück auf den Camino.
Man sagt, das eine Glocke in einem anfägt zu schlagen, kommt man in Santiago de Compostela an und irgendwann, wenn der Klang der Glocke in einem verklingt, dann ist es Zeit wieder zu gehen.
Bis zum heutigen Tag klingt noch immer die Glocke in mir, doch ich vermisse den Camino, das ungezwungene Umherziehen, die Natur, die Energie der millionen Pilger die vor mir auf diesem Weg gegangen  sind. Ich vermisse den Wegweiser, den gelben Pfeil, der mich bis Santiago geleitet hat. Ich sehne mich nach dem Gewicht meines Rucksackes auf den Schultern und das brennen der Füße nach einem langen Pilgertag.
Ich möchte zurück auf den Camino..... und die Vorbereitungen laufen.
Doch dieses mal wird einiges anders. Nicht nur der hl. Jakobus wird mit mir sein, auch mein,, rettender Engel '' Ulla ist an meiner Seite. Gemeinsam bereiten wir uns auf unseren Jakobsweg vor.
Ich schrieb einmal: Der Jakobsweg ist wie ein ganzes Leben. Mit dem ersten Schritt wird man auf dem Camino geboren, man lernt  Laufen, auch wenn die ersten Schritte weh tun. Man lernt sich selber zu versorgen und sein Leben zu meistern und man lernt, einem bestimmten Ziel zu folgen.         Auch wir werden wieder lernen müssen.
Es war eine unvorstellbare Freude in mir, als ich unseren Credencial, ( Pilgerausweis ), bei meinen Freunden der Jakobusbruderschaft  in Würzburg, bestellt habe. Die Vorfreude ist fast unerträglich gerade jetzt, im heiligen Jahr auf den Jakobsweg zu gehen.
Was wird der Camino 2010 mit mir machen?? Werde ich meine Freunde von meiner ersten Pilgerreise vermissen und holen mich die Erinnerungen wieder ein? Vieles was mir meine Freunde Hans-Egon und Paul  gelehrt hatten, wird nun wieder wichtig für mich werden.


Unser Camino 2010
Im heiligen Jahr auf dem Jakobsweg nach Santiago de Compostela

Endlich ist es soweit! Um 0.30Uhr klingelt unser Wecker,das wird auch Zeit,denn an Schlaf war eh nicht zu denken. Mein Herz schien vor Aufregung im linken Ohr zu schlagen,dann im rechten und irgendwann in beiden. Mit dem Auto geht es nach München und vom Busbahnhof Hackerbrücke startet der Omnibus der deutschen Touring-Gesellschaft um 5.30Uhr. Wir sind die ersten Gäste an Bord und suchen uns die Plätze am Mitteleinstieg aus. Erfahrungsgemäß hat man dort die beste Beinfreiheit. Wir werden sehen.

        

Wie schon auf meiner erstenPilgertour,wurde einiges was wir vorher geplant hatten durcheinander geworfen. Eigentlich sollte unser erster gemeinsamer Camino in Pamplona beginnen. Drei Wochen wollen wir Richtung Westen laufen und dann mit dem Bus die restlichen Kilometer fahren, um wenigstens einmal durch die heilige Pforte in Santiago de Compostela gehen zu können. Noch während der Anreise nach Spanien beschlossen wir wegen der absolut schlechten Wetterlage zwischen Pamplona und Burgos unseren Plan zu ändern und stattdessen in Leon zu starten. Wie sich später herausstellte, sollte diese Entscheidung auf der einen Seite richtig und andererseits ein Reinfall werden.
Gegen 13.00Uhr erreichten wir Leon und Ulla war ganz schön genervt von der langen Busfahrt und ich hatte schon ein schlechtes Gewissen, weil ich sie dazu überredet hatte und es mir eigentlich recht gut ging. Wir schwangen unsere Rucksäcke auf unsere Rücken und marschierten los vom Busbahnhof Richtung Kathedrale. Der Himmel war bedeckt, doch es war trocken. Gott sei Dank. Wir erreichten den Vorplatz der Kathedrale und ich war etwas enttäuscht, denn es waren kaum Pilger zu sehen und das im heiligen Jahr, wo doch alle nur vom Massenpilgern redeten.

      
      Die Kathedrale von Leon                                                    Vor dem Haupttor der Kathedrale


Wo wollen wir eigentlich übernachten? Klar, wir sind Pilger also schlafen wir in einem Refugio. Und wie kommen wir dorthin? In einem Cafe bestellten wir uns etwas zum trinken und fragten nach dem Weg zum Refugio der Benediktiner. Komisch, man kennt dort die Herberge nicht. Kurz darauf sah ich ein Polizeiauto auf der Plaza Regio, nichts wie hin. Doch welche Überraschung auch die beiden Polizeibeamten zucken mit den Schultern und schauten mich ratlos an. Dann die Rettung, einer der Beamten fragte über Funk in der Zentrale und konnte uns dann mehr schlecht als recht den Weg zum Refugio beschreiben. Nach einigen Minuten des Suchens, erreichten wir unser heutiges Ziel und wurden sehr freundlich in der Herberge aufgenommen. Ein Gefühl des ,,Nachhausekommens,, überkam mich, als ich meinen Schlafsack im oberen der Stockbetten ausrollte. Abends unternahmen wir noch einen Rundgang durch die Altstadt mit einem Besuch in der Kathedrale. Natürlich gab es auch noch ein zünftiges Geburtstagsessen. Bocadillo mit Käse und Bier dazu.. Auf dem Weg zu unserer Unterkunft begann es zu regnen und es sah so aus, als sollte auch morgen der Himmel voller Regenwolken hängen. Im Aufenthaltsraum unserer Herberge lernten wir ein Ehepaar aus Sachsen kennen. Er, ein Mensch der alles genauestens untersuchte und plante, sogar wie man Butter auf eine Semmel schmiert ,gleichmässig verteilt und dann einen Vortrag darüber hält. Seine Frau verdrehte immer nur ihre Augen, wenn er einen Anfall von Minimalismus bekam.
Die erste Nacht war sehr ruhig,obwohl doch etwas ungewohnt. Mir fehlte mein Engelchen in meinen Armen beim Einschlafen. Doch kaum hatten wir die Reißverschlüsse unserer Schlafsäcke hochgezogen,fielen uns auch schon die Augen zu. Kein Wunder, nach über 30 Stunden im Bus.
5.30Uhr. Irgendwer macht doch tatsächlich das Licht an. Schlagartig bin ich wach und schaue ins untere Bett. Mein Engel schläft noch. Voller Unruhe krabbel ich aus meinem Bett und dabei wecke ich Ulla auf. Ungläubig schaut sie mich an. Was wird das denn jetzt? Was willst du denn so früh schon draußen? Ich bin so aufgeregt und kann es kaum erwarten, endlich wieder den Camino unter meinen Füßen zu spüren.Nervös packe ich meinen Rucksack und auch Ulla quälte sich aus ihrem Schlafsack. Sie war ganz schön angefressen, glaube ich. Im Essraum hatte man schon einen langen Tisch gedeckt und wir bekamen Toast,Butter,Marmelade und Tee zum Frühstück und dann ging es endlich los. Mein Herz machte einen Freudensprung als wir den Camino bei trockenem Wetter betraten. Wir folgten wieder dem gelben Pfeil, ein wunderbares Gefühl. In der Nähe der Kathedrale begann es dann doch zu regnen und auch unsere Regenponchos durften ihre Arbeit aufnehmen. Tut das Not? Am Stadtrand begann es dann sehr heftig zu regnen gerade jetzt,als wir die Teerstraße verlassen und in einen Feldweg einbiegen. Dann setzte auch noch Sturm ein und das Laufen wurde fast unerträglich. Die Wege verwandelten sich in Morast und die Schuhe fühlten sich an, wie Taucher sie tragen, mit Gewichten darunter. Jeder Schritt fiel schwer und der Wind peitschte uns den Regen in die Gesichter. Mein lieber Jakobus, haben wir so viel zu büßen??
Gegen Mittag war es dann überstanden. Wir erreichten nass durchgefrohren aber überglücklich unsere Herberge in Villar de Mazarife. Sehr freundlich war der Empfang und wir bekamen sogar ein Zimmer für uns ganz allein.

       
Auf dem Weg nach Mazarife                                            Albergue Tio Pepe Villar de Mazarife

Auch vor zwei Jahren hatte ich hier mit meinen Freunden übernachtet und ich musste an die Zeit zurückdenken. Aloy, Paul, Dietmar und Hans-Egon, der kurz nach unserem Camino von uns gegangen war. So viele Erinnerungen.
Abends erwartete uns dann ein Pilgermenue in der Albergue, doch leider gab es nicht für alle Platz . So standen außer uns, noch drei junge Mädchen da und fanden keine freien Plätze. Kurz entschlossen trugen wir Tische und Stühle von der Terrasse in die Gaststube und es wurde eine richtig fröhliche Runde. Zwei der Mädchen kamen aus Deutschland und eine aus Österreich. In den nächsten Tagen sollten wir ihnen noch öfter begegnen.
Nach einer ruhigen Nacht gingen wir in der Frühe um 7.00Uhr wieder los. Unser Ziel, Murias de Rechivaldo. Gott sei Dank hatten sich die Regenwolken verzogen und so gingen wir mit der aufgehenden Sonne im Rücken, Richtung Westen. Die Gegend erinnerte uns stark an die Meseta. Gerade Straßen bis zum Horizont, weite Felder und jede Menge Störche die in der teilweise sumpfigen Landschaft einen reich gedeckten Tisch fanden. Rechts und links des Weges begleiteten uns Bäche, doch irgendetwas erregte meine Aufmerksamkeit. Sag mal Ulla kann es sein, das der eine Bach von Ost nach West und der Andere von West nach Ost fließt? Fassungslos standen wir da und suchten nach Erklärungen. Seltsam. Gegen 9.30Uhr erreichten wir das erste Dorf an diesem Tag, Villavante und wir freuten uns schon auf ein Frühstück. Doch der Ort wirkte wie eine verlassene Geisterstadt,  ausgestorben. Wir folgten einem Wegweiser zu einer Bar und wir hatten Glück. Eine ältere Frau machte gerade sauber und bediente uns sehr freundlich und fürsorglich.. Der Weg führte uns weiter nach Justo de la Vega. In dem Lokal, in dem ich 2008 meinen 50sten Geburtstag feierte kehrten wir ein und trafen das Ehepaar aus Sachsen wieder. Während unseres kurzen Gespräches verdrehte sie mal wieder ihre Augen, bei den Ausführungen ihres Mannes. Wieder wurden in mir Erinnerungen wach und fast glaubte ich, meine Freunde würden jeden Moment herein kommen. Nach der Pause setzten wir unseren Weg fort und gingen durch Astorga, über den Plaza Mayor, vorbei am Bischofspalast und der Kathedrale. Vor uns tat sich eine weite Ebene auf an deren Ende der Aufstieg zum Monte Irago auf uns wartete. Die Berge des Monte Leon daneben, waren alle noch mit Schnee bedeckt. Immer weiter führte uns der Weg uns so langsam bekam meine Ulla Probleme. Sie war fix und fertig von der Last ihres Rucksackes und der langen Etappe. Endlich erreichten wir den wunderschönen Ort Murias de Rechivaldo mit seinen herrlichen alten Häusern. Auch die Herberge war eine kleine Perle.   

       
Die Kathedrale und Bischofspalast in Astorga                 Herberge in Murias de Rechivaldo

  Unsere Pilgerausweise wurden abgestempelt und Ulla legte sich gleich etwas in ihr Bett.. Ich machte mir schon Sorgen, ob sie die Anstrengungen des Tages gut verkraften wird, immerhin waren es heute ca. 35 Km und das gleich zu Anfang unserer Pilgertour. Doch die Zeit heilt alle Wunden und eine Stunde später machten wir gemeinsam einen Bummel durch den kleinen Ort. Abendessen bekamen wir in einem Lokal und lernten dabei Manuela und Kai kennen, die sich auf dem Camino gefunden hatten. Soetwas soll es ja bekanntlich geben. Ein richtig netter Abend bei Tortilla, Pollo und Wein. In unserer Herberge saßen wir später dann noch etwas im Aufenthaltsraum gemeinsam mit einigen Pilgern aus Frankreich, einem aus Koblenz und mit Barbara aus Bonn die als Krebspatientin den Jakobsweg ging. Vielleicht treffen wir uns später noch mal auf dem Camino, ich würde mich freuen unser nettes Gespräch fortsetzen zu können. Als ich dann in meinem Schlafsack lag dachte ich noch lange über den Tag nach und ich spürte, wie die Sorge um mein Engelchen meine Gefühle zu ihr noch vertiefte.
 
 

       
Abendessen in Murias                                    Aufenthaltsraum in unserer Herberge

Morgens um 6.00Uhr wurden wir durch die allgemeine Unruhe im Schlafraum geweckt und bereiteten uns auf den Abmarsch vor. Eine wundervolle Morgenstimmung erwartete uns vor der Herberge. Vor uns ein gerader Weg bis zum Horizont und die aufgehende Sonne warf unsere langen Schatten auf den Camino. Bei bester Laune gingen wir Richtung Fancebadon. Orchideen am Wegesrand lassen meine Gedanken zu meinem Pilgerbruder Hans-Egon schweifen. Vielleicht schaust du gerade jetzt zu uns herunter und begleitest uns ein Stück auf unserem Camino an diesem wunderbaren Morgen. Erinnerst du dich, als du mich damals fit gemacht hast für die Überquerung der Bergpässe?....Er fehlt mir noch immer!

        
Lange Schatten auf dem Camino                               Orchideen am Wegesrand

Trotz der Kühle (ca. 6 Grad ) wird uns bald warm denn der Weg steigt ständig bergan und wir gönnen uns eine Erfrischung in der legendären Cowboy- Bar... Whisky und Wasser für meinen Bronco, mit diesen Worten betraten wir die Bar und der alte Cowboy hinter der Theke musste doch etwas lächeln. Nun begann der Aufstieg nach Foncebadon. Ultreia et suseia, vorwärts, immer weiter und aufwärts führte uns der Weg. Wir gingen durch El Ganso und Rabanal del Camino, durch eine wundevolle Landschaft. An einem alten Baum war eine Schaukel befestigt und dort saß eine Pilgerin, die wir seit geraumer Zeit immer mal wieder gesehen hatten. Sie war auch von Weitem sehr gut zu erkennen, denn sie trug neben ihrem großen Rucksack einen orangefarbenen Beutel mit sich herum,, Kaum zu übersehen.

        
                            Die Cowboy-Bar                                                                          Auf einer Schaukel. Margarethe mit ihrem Beutel
Der Weg wird noch steiler uns steiniger doch irgendwann erreichen wir den Ort Foncebadon. Bereits im 12Jh. gründete der Eremit Gaucelmo hier die Herberge San Salvador del Monte Irago. Bis zum 19Jh. stand Foncebadon unter besonderem Königlichen Schutz mit der Auflage, sich um Pilger und Weg zu kümmern. Dann starb der Ort aus. Erst seit kurzen lebt er wieder auf. Gleich in der ersten Herberge rechts fanden wir ein Quartier. Nach dem wir uns geduscht hatten war es Zeit, unsere Wäsche zu waschen. Hinter der Herberge gab es einige Wäscheleinen. Doch kaum hatten wir unsere Wäsche zum trocknen aufgehängt begann es zu regnen. Dann musste die Sachen eben auf den Heizungen in der Herberge trocknen. Wie gern hätten wir uns nachmittags noch den kleinen verschlafenen Ort angesehen doch es regnete immer schlimmer und unsere Wäsche wollte auch nicht so recht trocknen. So saßen wir in der Gaststube, schauten aus dem Fenster wie sich doch noch ein paar Fahrradpilger über den Berg quälten, schrieben unser Tagebuch und beteten, das es morgen wenigstens trocken bleibt. Wir wünschten uns so sehr, das wir das Cruz de Ferro einmal ohne Regen erleben dürfen. Also schlüpften wir an diesem Tag sehr früh in unsere Schlafsäcke und versuchten unsere Mitbewohner, eine Gruppe Spanier zu ignorieren, die sehr lautstark herum diskutierten. Nachts bekamen wir dann kaum ein Auge zu denn nach einem durchzechten Abend, schnarchten unsere Spanier um die Wette. Dafür war dann morgens um 3.00Uhr die Nacht auch schon vorüber. Einer der Spanier machte das Licht an und begann seinen Rucksack zu packen. Natürlich waren seine Landsleute auch gleich hellwach, was sie uns mit lautem Geschnatter wissen liessen. Also, dann stehen wir eben auf. Der erste Blick galt dem Wetter und siehe da, es war zwar bewölkt aber trocken. Wenigstens etwas Erfreuliches. Wir sammelten unsere Wäsche ein, packten unsere Rucksäcke und machten das wir weg kamen. Unglaublich, wie rücksichtslos manche Pilger sein können. Es war noch dunkel, als wir vor der Herberge abmarschbereit standen und wir sahen, das es wohl die ganze Nacht durch geregnet hatte. Wir gingen durch den Ort und als wir die Teerstraße verließen erwartete uns ein Waldweg voller Matsch und Morast.. Egal, das müssen die Schuhe eben aushalten. Täuschte ich mich oder hatte ich doch gerade einen Regentropfen abbekommen? Wir blieben stehen und schauten zu den Wolken hinauf. In diesem Moment öffete der Himmel seine Schleusen und es begann zu regnen, was vom Himmel wollte. In aller Eile zogen wir unsere Poncos über und versuchten auf dem Schlammigen Wegen voran zu kommen. Wolkenfetzen zogen an uns vorbei und wir konnten kaum die Hand vor Augen sehen. Träumte ich jetzt schon oder fängt es nun wirklich auch noch an zu schneien. Schnee,, das kann doch nicht sein, ist das möglich? Scheinbar war es möglich und es schneite immer heftiger so daß wir das Cruz de Ferro fast übersehen hätten. Ich traute mir nicht einmal meine Kamera hervor zu holen. Glücklicher weise steht neben dem Cruz de Ferro eine Schutzhütte wo wir uns ein wenig unterstellten und ich diese Winterlandschaft auf einem Foto festhalten konnte. Das glaubt uns doch kein Mensch daheim.

        
Schneetreiben am Cruz de Ferro                             Schnee in Manjarin

Es half nicht, wir mussten weiter und der Schneefall wurde immer heftiger. In Manjarin kehrten wir bei Tomash, dem selbsternannten letzten Kreuzritter ein. Schon von weitem hörten wir die Glocke, mit der er vorüberziehende Pilger begrüßte. Unter einem Vordach stand ein Ofen und auf einem Tisch daneben dampfte heißer Kaffee aus einer Thermoskanne. Eine willkommene Aufwärmpause. Wir beschlossen, auf der Straße weiter Richtung Tal zu gehen,alles Andere wäre zu gefährlich geworden. Kilometer um Kilometer gingen wir bergab und so langsam weichten sogar unsere Schuhe von dem Schneematsch durch. Endlich, endlich führte uns der Weg aus den Wolken heraus und wir konnten tief unten das Tal erkennen.
Der Schnee ging in Regen über und nach einer ganzen Weile ließ auch der endlich nach. So nass und durchgefrohren kamen wir in dem Ort Molinaseca an und beschloßen uns in einer Bar aufzuwärmen und den nassen Poncho auszuziehen. Wir kehrten in einem Gasthof ein, in dem wir einen jungen Burschen und ein Mädchen trafen, denen wir vorher schon ab und zu begegnet waren, Tim und Irene. Es wurde eine sehr nette Unterhaltung während Ulla versuchte ihre Schuhe auf der Toilette mit einem Föhn zu trocknen. Irene erzählte uns, das sie den Jakobsweg nur deshalb gehen würde, weil sie sich einen anderen Urlaub finanziell nicht leisten konnte und zu meinem Erstaunen hatte sie nicht einmal einen Schlafsack dabei. Was es alles so zu erleben gibt auf dem Camino. Gemeinsam gingen wir ein paar Kilometer Richtung Ponferrada doch irgendwann verloren wir uns aus den Augen. Ulla hatte ein Problem mit ihrem rechten Knie bekommen und es fühlte sich etwas geschwollen und heiß an. Hoffendlich geht das gut.

        
Ulla mit Irene und Tim                               Albergue in Ponferrada

In der Herberge von Ponferrada angekommen führte man uns in einen großen Schlafraum unsere scharchenden Spanier waren auch schon da, leider. Aber wir trafen auch Barbara, Manuela,Kai und Tim wieder. So langsam bekamen die Pilger um uns herum nun auch Namen. Im Aufenthaltsraum verzehrten wir unser Abendessen und kamen mit einer Pilgerin ins Gespräch, die erhebliche Probleme mit ihrem Knie und Oberschenkel hatte. Ulla versprach ihr, das sie es sich einmal ansehen würde und vielleicht hilft ja auch eine Massage. Das ist der Geist des Pilgerns. Kann ich sagen, ob ich morgen nicht auch einmal die Hilfe eines anderen Pilgers brauche? Nach einem Bummel durch die Stadt und dem Besuch der Festung ließen wir den Abend bei einer Pilgermesse, in der ich den hl. Jakobus bat, seine Hand über meinen Freund Paul zu halten damit er gesung in Santiago ankommen wird, ausklingen. Es war ein verdammt harter Tag heute und wir waren trotz allem noch ca. 35 Km gelaufen. Ullas Knie haben wir für die Nacht mit Salbe eingeschmiert und bandagiert. Vielleicht haben wir Glück und es ist morgen besser.
Am nächsten Morgen standen wir gegen 6.00Uhr auf,frühstückten in einer Bäckerei an der Plaza Major und gingen dann durch die neue Stadt Richtung Villa Franka del Bierzo. Zuerst war es etwas wolkig, doch später setzte sich dann die Sonne durch. Hatte meine Bitte an den hl. Jakobus Früchte getragen? Der Weg führte uns über Compostilla, Columbrianos, Fuentes Nuevas nach Cacabelos. Von hier aus führte uns der Jakobsweg durch herrliche Weinberge und das bei einem tollen Sonnenschein. Kaum zu glauben, aber Ulla war die Erste, die ihren Vliespullover auszog um im T-Shirt weiter zu gehen. Ihr Knie wurde langsam besser, doch dafür schien sich mein Fuß an 2008 zu erinnern. Auf genau dieser Etwppe hatte ich damals mit argen Schmerzen zu kämpfen. Bilderte ich mir das alles nur ein oder war da wirklich ein Ziehen auf meinem rechten Fußspann?. Wir begegneten auch vielen Pilgern. Da waren die zwei Frauen aus Österreich, die mit einem großen schwarzen Hund unterwegs waren oder die spanische Familie mit zwei Kinderwagen und ein Koreaner, der wie ein Wiesel über den Camino tobte und trotzdem nie schneller war als wir. So kamen wir an der Herberge von Villafranca del Bierzo an. Die Hospitalera begrüßte uns sehr herzlich und wir bekamen einen Schlafraum mit 5 Stockbetten und mit Balkon. Super, dann können wir unsere Wäsche waschen und bei diesem schönen Wetter wird sie bestimmt auch schnell trocken. Nach getaner Arbeit setzen wir uns an einen Tisch vor der Herberg, genoßen den wundervollen Ausblick auf den Alto do Poio und aßen unsere Reste Käse und Brot, was wir immer als Reseve im Rucksack mit uns trugen.

       
Blick vom Balkon auf die Berge                    Vor der Herberge in Filla Franca del Bierzo

Tim kam auf einen Sprung bei uns vorbei, nur eine kleine Pause denn er wollte gern noch etwas weiter laufen. und auch Irene setzte sich zu uns an den Tisch. Sie hatte große Probleme mit einigen Blasen an ihren Füßen und fragte uns, ob es für sie wohl sinnvoll wäre damit heute noch weiter zu laufen. Wir konnten sie davon überzeugen, heute in dieser Herberge zu bleiben  und ihren Füßen etwas Ruhe zu gönnen, schließlich sollten sie ja noch  bis Santiago durchhalten.  Nach dem Abendessen in der Stadt, es gab heute Pizza und Bier, gingen wir bald schlafen. Doch es sollte auch hier keine ruhige Nacht werden. Es waren mal wieder ein paar Spanier in unserem Schlafraum und irgendwie scheinen sie absolut keine Hemmungen zu haben. Der eine Furzte wie ein Pferd das zuviel Gras gefressen hatte und der Andere scharchte, das fast der Putz von den Wänden fiel Und alle zusammen hatten den Abend wohl in einem Knoblauch Fass verbracht, denn es stank bestialisch. So ist halt das Leben manchmal kommt es eben Knüppeldick. Nur gut, das ich an diesem Tag noch nicht wusste, was später noch so alles auf uns zukommen sollte.
Am nächsten Morgen regnete es mal wieder. Auf uns wartete eine Etappe, die wenig spektakulär war. Der Camino zog sich ständig neben einer Nationalstraße entlang und wollte heute einfach kein Ende nehmen. Ein paar Kilometer vor La Faba stieg der Weg nochmals kräftig an und wir waren beide fast am Ende. Der ständige Regen und das Schwitzen unter den Ponchos machte uns ganz schön zu schaffen. Irgendwann erreichten wir dann die Herberge in La Faba, in der ich unbedingt übernachten wollte. Schon auf unserem letzten Camino hatte sie mir sehr gut gefallen und auch heute sollten wir mit Freundlichkeit belohnt werden. Zur Begrüßung reichte uns eine der drei deutschen Hospitaleras einen heißen Tee und wir hatten ein sehr nettes Gespräch miteinander. Unsere Betten waren ganz am Ende des super sauberen und aus Bundeswehrbeständen eingerichteten Schlafraumes. Uns gegenüber rollte gerade ein Pilger aus Frankfurt seinen Schlafsack aus und auch wir kamen ins Gespräch.  Jürgen, ein sympatischer Mann in meinem Alter aus Frankfurt, allein unterwegs von Staint-Jean-Pied-de-Port. Wir beschlossen, gemeinsam zum Abendessen zu gehen. Vorher mußten wir noch etwas einkaufen. Brot, Käse, Äpfel und das wichtigste Wasser. In dem sehr kleinen Ort La Faba hats sogar ein Gschäfterl ( wie HaPe schreiben würde ) Nur ist dort immer geschlossen. Dafür hängt an der Eingangstür eine Glocke und nach einem kräftigen Gebrauch erschien auch bald ein sehr freundlicher junger Mann, um uns herein zu lassen. Wir tätigten unsere Einkäufe und auch ein paar Schokoriegel fanden noch Platz, Nervennahrung!! Nach dem gemeinsamen Abendessen mit Jürgen beschloßen wir, im Aufenthaltsraum noch einen Tee miteinander zu trinken. Welch eine Freude, die drei Mädchen, die wir in Villa de Mazarife kennengelernt hatten waren auch da. Als sie uns sahen, kamen sie zu uns und nahmen uns ganz herzlich in die Arme. Auch an diesem Abend haben wir noch lange sehr gut miteinander geredet. Komisch, ich weiß noch nicht einmal ihre Namen. Eine von ihnen erinnerte mich so stark an meine Tochter. Ich zeigte ihnen ein Bild von meiner Jenni und die große Ähnlichkeit fiel allen sofort ins Auge.. Diese Nacht sollte endlich einmal ruhig und erholsam werden.

        
Die Herberge von La Faba                           Im Aufenthaltsraum

Endlich einmal eine ruhige Nacht. Erholt von den Strapazen des letzten Tages nahmen wir den Aufstieg nach O Cebreiro in Angriff. Ein besonders herzlicher Abschied und dann ging es wieder hinaus auf den Camino, natürlich regnete es wieder leicht. In der trüben Morgendämmerung stiegen wir bergan. Immer weiter hinauf zog sich der Jakobsweg und in der Ferne erkannten wir den Gipfel des Alto do Poio im Dunst. Hinter dem Grenzstein der Provinz Galiciens zogen bereits Wolkenfetzen an uns vorüber und es wurde so richtig ungemütlich. Feine Eiskristalle mischten sich in den Regen und der stetige Wind lies uns diesen Mix aus Regen und Schnee heftigst um die Ohren. Dabei liebe ich von allen Regionen Spaniens gerade diese ganz besonders. Wundervolle Landschaften und ganz besonders die Herzlichkeit ihrer Bewohner hatten schon auf meinem ersten Camino tiefe Spuren in meinem Herzen hinterlassen.
Waren wir froh, als wir die Pallozas ( Rundhäuser kältischen Ursprungs )  sehen konnten. Auf einem Parkplatz vor dem Dorf stieg eine kleine Gruppe junger Spanier aus einem Kleintransporter und schulteren ihre mini Rucksäcke. Na ja, sie gehen wenigstens, ist ja mehr, als manch Anderer zu stande bringt. Nass und total durchgefrohren betraten wir das Gasthaus in dem schon viele Pilger sich aufwärmten und versuchten, ihre nassen Sachen zu trocknen. Wir bestellten heißen Tee und dazu Madalenas. Kaum saßen wir an einem der Tische, kamen auch die jungen Spanier herein. Fluchend und keuchend befreiten sie sich von ihren ,,Rucksäcken,, und machten einen total erschöpften Eindruck. Hätten wir nicht eben diese Truppe  vor wenigen Minuten aus einem Transporter steigen gesehen, so hätten wir geglaubt, sie wären schon Stunden im Regen unterwegs gewesen. So konnten wir uns ein wissendes Lachen nicht verkneifen. Es würde mich schon sehr interessieren, aus welchen Beweggründen so mancher hier auf dem Camino unterwegs ist. Nach unsere Aufwärmpause erwartete uns draußen wieder ein absolut ekliges Wetter. Der Regen hatte noch zugenommen und so gingen wir an dem bronce Pilger, der sich in Regenkleidung auf der Passhöhe von San Roque in den Wind stemmt , vorbei . Genau so fühlten wir uns auch.

        
Ulla am Grenzstein: Galicien                             Wie der bronce Pilger, gegen den Wind

Nun geht es endlich bergab und der Camino verläuft direkt neben einer Asphaltstraße, die für die Radpilger ausgeschildert war. Dort unten sahen wir auch Jürgen, wie er gegen den Wind ankämpfte. Wie echte Pilger benutzten wir natürlich den Wiesenweg und mußten uns nicht nur mit dem Regen auseinandersetzen, nein nun als der Regen langsam aufhörte versuchten immer mehr Radfahrer mit ihren Mountainbikes auf dem Fußweg zu fahren. Es machte ihnen wohl einen Heidenspaß durch den tiefen Schlamm und Morast um die Pilger herumzufahren. Es war einfach saugefährlich. In mir stieg so langsam Wut auf. Als hätten wir nicht schon genug damit zu tun irgendwie um die riesigen Pfützen und Morastlöcher herum zu kommen so mussten wir auch noch aufpassen das uns nicht einer der Radler, die fast immer ohne Vorwahnung an uns vorbei schoßen, über den Haufen fuhren. Manchmal half nur ein beherzter Sprung in ein Schlammloch, die oftmals auch noch voller Kuhscheiße waren. Es war mal wieder ein Spanier, der bei mir das Fass zum überlaufen brachte. Wie ein Irrer schoß er um Haaresbreite an uns vorbei und wir bemerkten ihn durch den starken Wind erst im letzten Moment. Mit Schlamm vollgespritzt standen wir da und aus meinem tiefsten Inneren heraus schrie ich ihm nach, A...loch!! Er verstand mich nicht und glaubte ich würde ihn anfeuern noch schneller zu fahren, was er auch versuchte, doch manchmal folgt die Strafe auf dem Fuße. In dem Moment, als er sich zu uns umdrehte verlor er die Gewalt über sein Rad und machte eine saubere Landung in die Sch... ! Genau. Eigentlich soll man ja nicht schadenfroh sein, doch wir konnten uns ein lautes Lachen einfach nicht verkneifen. Zum Glück war ihm nichts passiert, sonst wäre mir nichts anderes übriggeblieben, als ihm zu Hilfe zu eilen. Man, war ich sauer!

        
Matsch und Morast auf dem Camino                              Kampf mit den Radler

In diesem Moment war ich froh, das meine Ulla an meiner Seite war. Sie war es, die mich immer wieder auf den Boden zurück holte, wenn ich mit meinem Schicksal zu hadern begann. Doch auch diese Etappe ging vorüber. Stunden später kamen wir endlich in Triakastela an und die Suche nach einer Übernachtungsmöglichkeit begann. In der ersten Herberge hatten wir kein Glück. Dort war nur noch ein Bett frei, also gingen wir weiter, auch wenn die Füße uns signalisierten, das sie nun endlich ihre Dienste beenden wollten. Jürgen lief uns über den Weg und berichtete uns, das er in einer sehr schönen alten Albergue untergekommen war und riet uns, dort einmal nachzufragen. Ganz am Ende des Ortes fanden wir dann die Herberge und es war noch Platz, allerdings in getrennten Schlafräumen. So hatten wir uns den Abend eigentlich nicht vorgestellt, doch unseren Füßen zu Liebe blieben wir dort. Erst einmal aus den Schuhen heraus, duschen und die Wäsche waschen. Es war alles da, von der Waschmaschiene, Trockner und auch eine Möglichkeit, die Sachen aufzuhängen und zu trocknen. Ausserdem waren dort alle sehr nett und um die Pilger bemüht. Ich ging auf Entdeckungstour durch das Haus, schaute mir den Aufenthaltsraum an und ich fand dort, wie fast in allen Herbergen, einen Internetzugang. Das wollte ich natürlich gleich Ulla erzählen. So ging ich in ihren Schlafraum doch zu meinem Erstaunen war ihr Bett leer. Hatte ich mich verlaufen, oder war sie nicht mehr da. Wie ein aufgeschrecktes Huhn lief ich herum und suchte meinen Engel. Als ich nicht mehr weiter wusste, ging ich zu meinem Bett um mein Handy zu holen und wer kam mir freudestrahlend entgegen? Der Hospitalero hatte Ulla davon unterrichtet, das ein paar Pilger die vorher einen Schlafplatz reserviert hatten, nicht kommen konnten und so  war in meinem Schlafraum ein ganzes Stockbett frei und mein Engelchen hatte schon alle Sachen umgeräumt, natürlich bekam ich mal wieder das obere Bett. Hauptsache wir können in unserer Nähe einschlafen. Es wurde ein sehr netter Abend. Gemeinsam mit Jürgen gingen wir  zum Abendessen und im Wetterbericht sahen wir, das es morgen ein schöner Tag werden sollte. Mit diesen Aussichten gingen wir zu Bett und hatten eine sehr ruhige Nacht.

      
Vor Triakastela                                                Unsere Albergue in Triakastela

Im ersten Morgenlicht verliessen wir unsere Unterkunft. Es war sehr kalt, doch es schien wirklich ein schöner Tag zu werden. Trotz der Strapazen der letzten Tage wählten wir den etwas längeren Weg über Samos, der uns schon 2008 so gut gefallen hatte. Es ging für etwa zwei Kilometer an der Hauptstraße entlang und ich war überaus dankbar für meinen Pilgerstab, den ich immer öfter auch zur Abwehr übermütiger Autofahrer benutzte, die meinten man müsse den Pilgern einmal so richtig den Fahrtwind um die Ohren blasen in dem  man möglichst nahe an ihnen vorbei fuhr. Endlich zweigte der Weg nach links ab und wir betraten einmal mehr unseren so geliebten ,,Zauberwald,, Es waren vielleicht nicht die selben Gefühle wie noch vor zwei Jahren, doch je länger wir gingen umso größer wurde das Gefühl die Bäume würden uns ansehen und manchmal erwischte ich mich dabei, wie ich mit ihnen zu Reden begann. Alte naturstein Häuser, steinige Pfade und das Schönste, wir begegneten dort keinem Menschen, wir waren allein. Eine herrliche Ruhe umgab uns. Der Wildbach begleitete uns fast den ganzen Weg mit leisem Gemurmel und die Vögel sangen ihre Lieder schöner als irgendwo anders. So verbunden mit der Natur vergaßen wir die Anstrengungen der letzten Tage und wir saugten die Friedlichkeit dieser Landschaft in uns auf. Mein Gott, als Du Galicien erschaffen hast musst Du an das Paradies gedacht haben. Von einem Hügel aus sahen wir nach ca. zwei  Stunden das Kloster Samos das leider an diesem Tag geschlossen war. Doch das tat unseren Gefühlen keinen Abbruch. In einer Bar bestellten wir uns ein Frühstück, das mal wieder aus Bokadillo und Tee bestand.

   
  Auf dem Weg nach Sarria durch unseren geliebten,,Zauberwald,, nach Samos

Nach unserer verspäteten Frühstückspause setzten wir unseren Weg durch diese wundervolle Landschaft fort und bedauerten es fast, als sich nach einigen Stunden der Wald lichtete und wir auf der Straße nach Sarria standen. Heute möchten wir uns einmal den Luxus eines Hotelzimmers gönnen, das Alleinsein noch etwas zu genießen unsere Rucksäcke einmal ganz in Ruhe neu zu ordnen und einfach nur die Nähe des Anderen spüren. Die nächste Etappe sollte uns nach Portomarin führen und ab diesem Ort würde es richtig voll auf dem Camino werden und das Massenpilgern beginnen, so waren die Voraussagen.
Auch der nächste Morgen begann mit einer wundevollen Morgenstimmung. Der Frühnebel begleitete uns, als wir durch die Altstadt von Sarria gingen. Meine Ulla fühlte sich trotz dieses schönen Wetters nicht so wohl. Schon in der Nacht klagte sie über eine heftige Übelkeit und ich machte mir Sorgen, ob sie die heutige Etappe gut überstehen würde. Der Weg nach Portomarin führte uns durch malerisch gelegene Dörfer und durch eine Landschaft, die mich an das Fränkische erinnerte. Die Sonne meinet es heute sehr gut mit uns und das Thermometer kletterte auf annähernd 30 Grad. Ulla hatte nun richtige Probleme. Die Übelkeit machte ihr sehr schwer zu schaffen und ich war der Meinung, das wir einen Arzt aufsuchen müssten. Irgendwie schafften wir es bis Portomarin und wir bekamen ein Stockbett in einer der privaten Herbergen des Ortes. Ein riesiger Schlafsaal mit geschätzten 160 Betten. Obwohl noch alles leer war, bekamen wir die letzten freien Plätze alles Andere war vorreserviert. Hier merkten wir schon, das sich etwas auf dem Camino verändern würde. Ulla legte sich gleich nach dem Duschen in ihr Bett und wollte nur noch schlafen darum beschloss ich, für ein paar Minuten zum Stausee hinunter zu gehen. Die Sonne brannte vom Himmel und ich konnte mir fast gar nicht mehr vorstellen, das wir noch vor ein paar Tagen im Schnee gewandert waren. Am Stausee angekommen ließ ich meine Füße im frischen Wasser des Sees baumeln und beobachtet die Menschenmassen, die sich über die lange Brücke über den Stausee quälte. Plötzlich entdeckte ich unter diesen vielen Menschen auch die drei Mädchen wieder, deren Namen ich noch immer nicht kannte. Freudig winken sie zu mir herüber und setzten ihren Weg über diese lange Brücke in der prallen Mittagssonne fort. Woher kamen nur diese vielen Menschen und warum gerade hier und heute?
Im heiligen Jahr,  das immer dann begangen wird wenn der Todestag des hl. Jakobus auf einen Sonntag fällt, möchten natürlich viele Pilger nach Santiago eilen, um durch die heilige Pforte zu gehen, denn das verspricht die absolute Absolution und geht man die letzten hundert Kilometer an einem Stück ohne größere Unterbrechung, so bekommt man auch noch die begehrte Compostela, die Pilgerurkunde. Ab Portomarin werden den Pilgern 100 Kilometer auf ihren Weg angerechnet und somit beginnt auch hier der ,,Massenstart,,  Der Vorteil der letzten einhundert Kilometer ist, man hat nicht so viel Gepäck zu tragen und es gibt nicht so große Probleme mit der Freizeit, denn für den gesamten Camino Frances sollte man schon ca. 6 Wochen einplanen. Nur das Platzangebot der Herbergen wird zum Problem, weshalb wir uns auch vorgenommen haben ab Portomarin die großen Alberges in den Städten zu meiden und lieber kleinere Herbergen in den Vororten zu suchen. Zu den Pilgern der letzten hundert Kilometer gesellten sich dann noch die Buspilger, die mit einer geführten Reise im Omnibus unterwegs waren und zwischendurch die ein oder andere Etappe liefen. Beide Gattungen erkannte man ganz unmissverständlich an ihren Outfit. Frauen, die mit einem Gepäcksevice ihren halben Kleiderschrank nebst Schminkkoffer zu den jeweiligen Unterkünften fahren ließen, Pilger in Turnschuhen perfekt aufgestylt und von weitem schon sichtbar, der kleine Rucksack mit der Verpflegung für den Tag. Aber jeder muß eben für sich selber entscheiden, wie der seinen eigenen Jakobsweg gehen möchte.
Ich ging zurück in unere Herberge um nach Ulla zu sehen und bekam einen Schreck. Vor der Albergue standen einige kleine Transporter, die darauf warteten, das man ihnen die Last der vielen großen Koffer auf ihren Ladeflächen abnehmen würde. Im Schlafraum empfing mich ein lautes Geschnatter und Gegröle. Von einer Rücksichtnahme auf jemanden, dem es vielleicht nicht so gut ging, war keine Rede. Im Gegenteil, neben Ullas Bett stand ein älterer Spanier der meinte er müsse die große Schar der Pilger mit lautem Gefurze belustigen. Wie konnte mein Engelchen dabei nur schlafen?
Zum Abendessen weckte ich sie damit sie wenigstens eine Kleinigkeit zu sich nehmen könnte. Es ging ihr etwas besser aber trotzdem beschlossen wir, sollte es morgen nicht besser sein, noch einen Tag in Portomarin zu bleiben und einen Ruhetag einzulegen.

  
Unsere Herberge in Portomarin mit einem Schlafsaal und die lange Brücke über den Stausee

Die Nacht war ein Horror. Nachdem unsere Mitbewohner ihre Etappe gebührend mit Alkohol begossen hatten, vielen sie in die Herberge ein um ihre Feierlichkeiten dort fortzusetzen. Doch irgendwie verging auch diese Nacht. Der nächste Morgen brachte nichts Gutes. Ulla ging es wiedererwartend nicht besser und so beschlossen wir, noch einen Tag hier zu bleiben. Ich fand für uns ein kleines Privatzimmer, das noch nicht vorbestellt war und anschließend gingen wir zu einem Ärztezentrum schräg gegenüber unseres Quartieres. Dort wurden wir sehr freundlich empfangen und wir erlebten die spanische Gründlichkeit. Peinlich genau wurde mein Engel untersucht. Vom Abtasten bis hin zum EKG wurde nichts ausgelassen. Die Diagnose: Eine üble Magenverstimmung wahrscheinlich ausgelöst durch ein Getränk, das nicht ganz in Ordnung gewesen war. Sie bekam ein paar Medikamente mit der Bitte, sich heute zu schonen und das Bett zu hüten. Die Rechnung für die Untersuchung wollten wir gleich bar bezahlen und waren sehr erstaunt als man uns sagte, das es für uns kostenlos sei. Selbst als ich den Damen dort etwas für ihre Kaffeekasse geben wollte lehnten sie das energisch ab. Uns blieb nicht anderes übrig, als uns herzlichst zu bedanken und ihrem Rat Folge zu leisten.
Nach diesem zusätzlichen Tag in Portomarin verbesserte sich Ullas Zustand merklich und mit einem Gefühl der Dankbarkeit und der Sympathie konnten wir am nächsten Morgen unseren Weg fortsetzen. Nochmals DANKE!!
Froh endlich diesen Ort verlassen zu dürfen, gingen wir am nächsten Morgen weiter auf unserem Camino. Portomarin ist eben für uns kein gutes Pflaster. Schon vor zwei Jahren musste ich dort eine Pause einlegen, weil ich Probleme mit einer Entzündung in meinem Fuß hatte. Wir konnten gar nicht schnell genug aus diesem Ort rauskommen. Auf dem Weg zu der unteren Brücke trafen wir einen Pilger aus Erlangen, der uns ein paar Kilometer begleitete. Es waren sehr schöne Gespräche die wir mit ihm führten. Nach einiger Zeit waren wir wieder allein in einem Strom aus Pilgern weil wir unser Marschtempo etwas gedrosselt hatten. Ulla ging es zwar besser, doch fühlte sie sich noch etwas schlapp und ausgelaugt nach diesem Ruhetag. Eigentlich wollten wir an diesem Tag bis Palas de Rei gehen, doch aufgrund des hohen,,Verkehrsaufkommens,, nahmen wir uns vor irgendwo eine kleine Herberge ausserhalb zu suchen und wir wurden fündig. Etwa 5 Kilometer vor Palsa de Rei kamen wir an eine kleine Bar und wir beschlossen etwas zu trinken. Wie erstaunt waren wir als wir sahen, das im Garten ein winzig kleines Refugio war. Ich fragte ob wir hier Übernachten könnten und siehe da ,es waren genau noch zwei Betten frei. Es war so wunderschön dort, sauber, gepflegt, nette Leute und die Herberge lag inmitten eines Waldes auf einer großen Wiese. Hier fühlten wir uns von Anfangan gleich wohl. Nachdem unsere Betten gemacht waren suchten wir uns ein schattiges Plätzchen auf der Wiese und beobachteten die Pilgerscharen, wie sie an unserem kleinen Refugio vorbei zogen. Erst ab 19.00Uhr wurde es ruhig und der Camino war befreit von der Masse der Pilger und so saßen wir noch einige Zeit vor der Herberge und genossen in dieser Stille unser Abendbrot.

   
Massenpilgern                                                                             Unsere Herberge in Lestedo

Es viel uns schwer diesen ruhigen Ort am nächsten Tag zu verlassen, doch der hl. Jakobus erwartet uns und so ziehen wir gegen 6.45Uhr weiter Richtung Westen. Kurz hinter Palas de Rei wurde es dann wirklich sehr voll. Pilger über Pilger bevölkerten den Camino und Busse brachten immer noch weitere dazu. Aller paar Kilometer stand ein Bus als Sevicestation für die ,,Species,, mit den kleinen Rucksäcken. Auch die Sonne meinte es heute wirklich sehr gut mit uns. Das Quecksilber im Thermometer stieg auf über 30 Grad und ausgerechnet heute gab es kaum Schatten auf unserem Weg. Schwitzend und dampfend gingen wir einem steinigen Pfad endlang. Plötzlich bekam ich einen ziemlich heftigen schlag in meine linke Seite. Da rannte doch ein Pilger,bekleidet mit kurzer Hose, Unterhemd und Sandalen mit weitausholenden Armbewegungen an uns vorbei, obwohl es kaum Platz für uns nebeneinander gab. Kaum zu glauben was manche unter pilgern verstehen. Nachmittags erreichte die Hitze dann ihren Höhepunkt und wir machten Rast in einem Gasthof am Wegesrand. Wir fanden noch zwei Plätze draussen im Schatten und ich bestellte Bokadillo und Cola. Bevor es weitergeht wollte ich noch schnell zur Toilette, der viele Wasserkonsum machte sich bemerkbar. So gab es in diesem Lokal eine Toilette für Damen und eine für Herren, eintreten konnte man auch bei den Herren nur einer nach dem Anderen. Als die Tür sich öffnete und ich gerade eintreten wollte bekam ich wieder einen Schlag in die Seite, wieder die Linke und wieder von dem selben Pilger. Schwups war er an mir vorbei und wollte gerade die Türe schließen, als ich ihn beim Unterhemd fasste und in einem eleganten Bogen hinter mich beförderte. Ein Schwall fremder Worte brach aus seinem Mund und ich sagte:,, Du mich auch'' und verschwand hinter der Tür.
Sind das die wahren Pilger oder sind das alles Prüfungen, die mir der hl. Jakobus schickt? Wie sehr sehne ich mich zurück in unseren ,,Zauberwald,, von Samos. Gegen 15.00Uhr erreichen wir den Ort Buente. Hier gibt es eine Herberge der besonderen Art. Ca. 10 Kilometer vor Arzua direkt an einer Hauptstraße und auch sonst stark gewöhnungsbedürftig. Doch es sollte ein sehr harmonischer Abend werden. Mit einigen Pilgern aus Spanien, Irland und Frankreich erlebten wir ein Abendessen in sehr netter Gesellschaft. Auch unsere Hospitaleros waren eine Sorte für sich aber total lieb und freundlich.
      
Herberge von Buente                                                                   Unsere Hospitaleros versorgten uns gut
Früh am Morgen ging es dann wieder auf den Jakobsweg zu unserer letzten Übernachtung vor Santiago. Wir nahmen uns vor, bis Pedrouzo zu gehen, obwohl es eine Etappe über 30 Kilometer werden sollte. So früh am Morgen waren wir ganz allein unterwegs und es tat in der Seele gut in dieser Ruhe zu laufen. Wir gingen durch endlos erscheinende Eukalyptuswäler die uns mit ihrem frischen Duft umgaben. Fledermäuse flogen uns um die Ohren und eine Eule begrüßte uns mit ihrem Schrei. Die aufgehende Sonne zauberte ein leuchtendes Rot auf Wald und Wiese und unsere Schatten eilten uns auf dem Camino weit voraus. Hinter Arzua war es dann wieder vorbei mit der herrlichen Ruhe. Die übliche Völkerwanderung und der Run auf die Betten setzte sich auch an diesem Tag fort. Wieder einmal schien der Weg an diesem Tage kein Ende nehmen zu wollen und als wir endlich in Pedrouzo ankamen stand schon eine lange Schlange wartender Pilger vor der Eingangstür der Herbergege. Unter den wartenden entdeckten wir auch Horst aus Siegen, dem wir den Namen Ghandi gegeben hatten so wie er da stand,ca. 70 Jahre alt, abgemagert bis auf die Knochen, gebeugte Haltung und trotzdem fit wie ein Turnschuh. Freudig begrüßte er uns und nahm uns ganz herzlich in seine Arme. Ein echter Pilger. Fast glaubten wir, das nicht alle die sich dort angestellt hatten, Platz in der Herberge finden sollten. Doch einer nach dem Anderen verschwand in den Schlafräumen und auch wir ergatterten jeder noch ein Bett. Im Inneren der Albergue ging es sparanisch und äußerst eng zu. Kaum das man Platz hatte sich umzudrehen wenn man vor dem Bett stand. Aber trotzdem waren wir froh, das wir dort aufgenommen wurden und voller Demut ertrugen wir das beengte Beisammensein. Auch abends war es noch sehr heiß und wir gingen zum Abendessen in ein Lokal, das ich schon von meiner ersten Pilgertour kannte und wo es die beste Kohlsuppe ( eine Spezialität in Galicien ) Kaldo Galiego, gab. Richtig gemütlich war es in dem Lokal und auch das Bier schmeckte an diesem heißen Tag ganz besonders gut.
An diesem Abend beschlossen wir sehr früh zu Bett zu gehen, denn am nächsten Tag wollen wir sehr zeitig aufstehen und nach Santiago gehen. Die Pilgermesse beginnt dort um 12.00 Uhr, daran kann ich mich nur zu gut erinnern und bis dahin wollen wir die Kathedrale erreicht haben. Noch am Abend packten wir unsere Rucksäcke, verstauten unseren Proviant und füllten unsere Wasserflaschen auf. War es die Aufregung endlich nach Santiago zu kommen oder war es die stickige Luft im Raum die mich um meinen Schlaf brachte. Egal, auch diese Nacht ging vorüber.
 

        
Durch Eukalyptuswälder                                       Horst vor der Alberdgue in Pedrouzo

Heute nehmen wir nun die letzten15 Kilometer nach Santiago unter die Füße und das sehr früh. Um 5.30Uhr geht es los. Es ist eh nicht daran zu denken in irgendeiner Weise weiter Schlafen zu können. Alles ist in Aufregung und alle beginnen ihre Sachen zu ordnen. Gut, das wir das schon abends erledigt hatten. Heute kommt auch wirklich meine Taschenlampe einmal zu ihrem ersten längeren Einsatz und ich habe das Gefühl, sie nicht ganz umsonst mitgeschleppt zu haben. Stockdunkel ist es, als wir uns auf den Weg machen und es war nicht so leicht den gelben Pfeilen zu folgen. An manchen Kreuzungen liefen wir erstmal ziemlich planlos in die eine bald in die andere Richtung und suchten in der Dunkelheit den Weg und manchmal gingen wir auch einfach nach unserem Gefühl. Jakobus wird schon auf uns aufpassen. Bergauf und Bergab zieht sich der Jakobsweg Richtung Westen und er scheint kein Ende nehmen zu wollen, doch dann sehen wir das Denkmal, das anlässlich des Papstbesuches 1993 auf dem Monte do Gozo errichtet worden war. Millionen von Freudenseufzern sind auf dem Monte do Gozo im Laufe der tausendjährigen Pilgergeschichte schon ausgestoßen worden beim ersten Anblick der Kathedrale von Santiago. Heute sieht man von hier oben nur die große Stadt, die Türme der Kathedrale sind hinter dem Häusermeer der Stadt verschwunden. Vom Berg Monte do Gozo führt der Camino sehr steil bergab und die Füße laufen ganz von allein. Wie wird es sein, wenn wir angekommen sind? Was hält der hl.Jakobus dieses Mal für uns bereit. Was machen unsere Gefühle mit uns, wenn wir vor der Kathedrale stehen? Wird es unsere letzte Reise auf dem Camino sein? Fragen über Fragen schwirren durch meinen Kopf und plötzlich legt mir jemand seine Hand auf meine Schulter. Horst, mein alter Pilgergeselle, wie fühlst Du Dich? Geht es Dir gut? Freust Du Dich endlich nach über 800Kilometer Dein Ziel zu erreichen? Wir legen nochmal eine kleine Pause ein und verlieren Horst aus den Augen vielleicht möchte er auch alleine sein, wenn er sein Ziel erreicht.
Der Camino führt an einer belebten Straße entlang durch Kreisverkehre und Gehsteige, die mitunter sehr gefährlich und unübersichtlich sein können, dann eine Schrecksekunde. Es geht ein paar Stufen herunter und Ulla kommt ins Straucheln. Sie stürzt einige Stufen herunter samt Rucksack und Wanderstöcke. Durch die Last auf meinem Rücken kann ich nicht schnell genug rearieren um sie aufzufangen, doch ein Schutzengel war bei ihr und es ist absolut nichts passiert. Gott sei Dank. So überqueren wir die letzte große Straße vor der Altstadt und kaum gehen wir an den ersten Häusern vorbei werden wir von einer älteren Dame angesprochen. Hola, suchen sie Zimmer? Na, das ging aber schnell. Klar suchen wir. Wenn wollen ich gehen vor und können ansehen Zimmer nicht weit von Kathedrale, nur paar Minuten von hier. Sie führt uns durch ein paar sehr dunkle Gassen und wirklich, nach ein paar Minuten stehen wir vor einem , sagen wir mal ganz vorsichtig, etwas älteren Haus,öffnete die Tür und führte uns in die dritte Etage. Ein Doppelzimmer sauber und ordentlich und auch die sanitären Anlagen auf dem Gang waren annehmbar. Also nehmen wir das Zimmer , für 35.- Euro fast geschenkt. Sie sagte uns, das wir die Rucksäcke im Zimmer lassen sollten denn niemand darf mit Rucksack oder Tasche in die Kathedrale. Komisch, ohne Rucksack? Aber mein Pilgerstab ,der mich so gut begleitet hat, muss mit und auch die Wanderschuhe wede ich noch nicht ausziehen. So gehen wir los und ereichen wirklich nach ein paar hundert Metern den Durchgang zum Hauptportal der Kathedrale. Auf dem Praza do Obradoiro angekommen werden wir halb erschlagen vom Anblick der vielen Touristengruppen und den vielen Sicherheisbeamten die uns kaum Platz lassen um unseren Gefühlen freien Lauf zu lassen. Trotzdem liegen wir uns in den Armen und Tränen schießen in unsere Augen beim Anblick der Kathedrale von Santiago de Comopstela, unser Ziel ist erreicht. Erinnerungen ziehen an mir vorüber. Erinnerungen an 2008 und Erinnerungen an all das, was wir in diesem Jahr auf unserem gemeinsamen Camino durchgemacht haben. Meine Gedanken wandern zu meinen Freunden, Paul der auch auf dem Weg ist, Hans, der seinen letzten Camino in Frieden beendet hat  Aloy und Dietmar die  aus gesundheitlichen Gründen in diesem Jahr nicht mit uns gehen konnten und all die Anderen die wir auf unseren Reisen kennen gelernt hatten. Natürlich denken wir in diesem Moment auch an unsere Familien, die vielleicht gerade jetzt auch mit ihren Gedanken bei uns sind. Noch war es zu früh um eine Bilanz aus unseren Camino zu ziehen, doch soviel ist gewiß unsere Beziehung zueinander ist stabil und fest wie nie zuvor und auch die Probleme und Schwierigkeiten der vergangenen Tage konnte nichts daran ändern. Noch in Gedanken versunken machten wir uns auf den Weg zur heiligen Pforte. Natürlich wollten wir auch gleich die Pilgermesse besuchen und zu unserem Schutzheiligen Jakobus gehen, ihm zu danken für die gückliche Ankunft in Santiago. Schon von Weitem sahen wir die Menschenmenge vor der Hl. Pforte. Dicht an dicht ohne Ende standen dort die Besucher, also beschlossen wir, zuerst zum Pilgerbüro gleich nebenan zu gehen um unsere Compostela in Empfang zu nehmen. Auch hier hatte sich eine Menschenschlange gebildet doch jetzt hatten wir Zeit und so stellten wir uns hinten an. Vor uns in der Schlange stand ein etwas älterer Mann und von der Seite drängte sich eine Frau zu ihm durch. Sie hielt einen ganzen Stapel Pilgerausweise in beiden Händen. Hier, nimm die auch mit, wir warten drüben im Cafe auf dich, mit diesen Worten reichte sie ihm die Ausweise. Niemals sind diese Menschen auch nur eine Etappe auf dem Camino gegangen und sollten die gleiche Comopstela bekommen wie wir? Nicht einmal selber abholen wollten sie ihre Urkunde, die bezeugen sollte das sie mindestens die letzten hundert Kilometer auf dem Jakobsweg gegangen sind. Ulla beruhigte mich und meinte das unsere Compostela doch eine ganz eigene Bedeutung für uns hat und das lassen wir uns von niemanden zerstören. Es sind eben ganz besonders harte Prüfungen, die wir zu überstehen haben. Im Pilgerbüro angekommen treffen wir auch Horst wieder. Voller Freude hält er seine Compostela in seinen Händen, kommt auf uns zu und schließt uns ganz fest in seine dürren Ärmchen.  Auch wir bekommen unsere Compostela und nichts auf der Welt könnte ihre Bedeutung für uns schmälern. Wir allein wissen, wie sehr wir darum mit der Natur und ihrer Tücken und wie wir auch manchmal mit uns selber kämpfen mussten um diese Urkunde zu bekommen. Und trotz allem, es ist auch ein wunderbares Gefühl, das auf unserer Compostela die Jahreszahl 2010 zu lesen ist. Als wir das Pilgerbüro gerade verlassen wollen, steht vor uns ein junges Mädchen in einem leichten Sommerkleid und als wir genauer hinschauen erkennen wir eines der drei Mädchen wieder , die wir schon am Anfang unseres Camino kennen lernen durften. Wir kennen zwar immer noch nicht ihre Namen aber was macht das schon. Freudig werden wir von ihr berüßt und auch sie schließt uns liebevoll in ihre Arme. Mit Tränen in ihren Augen schildert sie uns Ihre Erlebnisse der letzten Tage und berichtet uns, das sie wohl noch weiter bis nach Finisterre gehen möchte. Wir kennen uns kaum und doch hatte ich sie in mein Herz geschloßen. Draussen emfping uns ein strahlend blauer Himmel und die Sonne brannte auf uns herunter. Die Menschneschlange vor der heiligen Pforte hatte sich aufgelöst und wir beschlossen, obwohl die Pilgermesse bereits begonnen hatte, in die Kathedrale zu gehen. Ohne warten zu müssen  gingen wir durch die Pforte und ein Gefühl des Nachhausekommens machte sich in meinem Herzen breit.. Trotz der vielen Menschen bekamen wir noch einen sehr guten Platz und konnten auch an diesem Tag erleben, wie die Mönche das große Botafumeiro durch das Querschiff der Kathedrale schwenkten. Eine Welle der Glückseligkeit durchlief meinen Körper und obwohl mir Tränen in den Augen standen spürte ich eine wohlige Wärme und Geborgenheit. Die Menschen um uns herum waren mir egal und ich hatte das Gefühl mit Gott und dem Universum im Zwiegespräch zu sein. Alles was mich auf dem Weg hier hin so fürchterlich genervt hat oder was mich ärgerte, all das hatte seine Bedeutung verloren und es zählte nur das Jetzt. Mein lieber Jakobus, Danke das Du uns gemeinsam zu Dir nach Santiago gerufen hast. Danke, das Du uns in schwierigen Situationen beschützt und in verzweifelten Augenblicken den Mut gegeben hast und danke für all die wunderbaren Menschen in der Familie der Pilger auf dem Camino und die geliebten Menschen in den Familien daheim.
Noch ganz ergriffen von den Ereignissen der Pilgermesse stiegen wir die Treppe hinter dem Altarraum hinauf wo die mit Gold, Silber und Edelsteinen geschmückte Büste des hl. Jakobus steht. Erst mit der Umarmung unseres Schutzheiligen wird unsere Pilgerschaft beendet sein. Als ich an der Reihe war begrüße ich ihn herzlich mit den Worten:,,Na mein ,,Alter,, freust Du Dich das wir Dich besuchen?'' Ich bat ihn ganz herzlich uns und alle unsere Freunde, die Familien und alle die uns lieb und teuer geworden sind zu beschützen und meine letzte Bitte war, er möge Ulla und mir die Kraft und Gesundheit für unseren nächsten Camino schenken, wann immer das auch sein wird.
Noch lange gingen wir durch die Straßen von Santiago, ohne uns wirklich weit von der Kathedrale zu entfernen, vielleicht sehen wir noch den ein oder anderen, den wir auf dem Camino begegnet waren. Am späten Nachmittag lief uns dann Horst über den Weg und ich hatte das Gefühl das er sich ziemlich einsam und verlassen fühlte in diesen Menschenmengen. Vielleicht konnte er es auch nicht wirklich verstehen, das seine Pligerreise nun beendet sein sollte. Gemeinsam gingen wir zum Abendessen und er berichtete uns, das er nun gern noch bis zum Ende der Welt nach Finisterre laufen möchte und auch wir hatten beschloßen uns auf diesen Weg zu machen. So ließen wir diesen Abend in Santiago de Compostela langsam ausklingen machten uns auf den Weg zu unserer Unterkunft und machten uns gemeinsam Gedanken, wie wir den Weg fortsetzen wollen.

   
                               Die hl.Pforte                                       Statue in einem der Haupttürme                                 Vor der Kathedrale

            Die Kathedrale,das Hauptziel unserer Reise nach Santiago de Compostela

Unsere Ankunft in Santiago bedeutete für uns auch, den nächsten Weg nach Finisterre, dem Ende der Welt unter unsere Füße zu nehmen. Dort am Kilometerstein null sollte man einige Sachen, die man auf dem Weg gebraucht hat, verbrennen und mit diesem Ritual seinen Abschied vom Pilgerleben zu erklären.
Was wir auf diesem Weg erlebt haben und welchen wirklich harten Bedingungen wir ausgesetzt wurden, das werde ich auf der nächsten Seite, Unser Jakobweg 2010 von Santiago über Muxia nach Finisterre,beschreiben.

Ich möchte mich an dieser Stelle bei allen bedanken, die in ihren Gedanken bei uns waren und die bestimmt das ein oder andere Mal mit uns fieberten als es galt kleinere und auch größere Probleme zu überstehen.

Ultreia
Ulla und Jürgen