Nach dem Camino ist vor dem Camino




Die Rückseite der Kathedrale wurde nur schwach beleuchtet als wir in der frühen Morgendämmerung aufbrachen um gemeinsam bis ans Ende der Welt zu gehen. Im Durchgang zum Praza do Obradoiro feierten noch ein paar Jugendliche mit Musik,Gesang und Bier ihre Ankunft in Santiago und schauten uns nach, als wir mit Rucksack und Wanderstab an ihnen vorbei zogen. Nach dem Trubel des vergangenen Tages tat es gut, wieder den Camino unter den Füßen zu spüren. Kaum betraten wir den Praza do Obradoiro, den großen Platz vor dem Hauptportal der Kathedrale, trauten wir unseren Augen nicht. Große Tribünen waren dort aufgebaut, eine Start und Ziel Strecke mit großen aufblasbaren Elementen, Absperrungsgittern und riesige Lautsprecherboxen. Wie wir später erfuhren, sollte an diesem Tag ein Marathon-Lauf stattfinden. Es machte mich etwas traurig, wenn ich an alle die Pilger denken musste, die im Laufe des Tages hier auf dem Platz ankommen werden und ein solches Chaos vorfinden. Da ist bestimmt kein Platz für  einen Moment der Freude und Besinnung nach einem langen Weg voller Strapazen und Mühen. Und ausgerechnet heute ist auch noch Pfingstsonntag. Mit etwas gemischten Gefühlen folgten wir dem gelben Pfeil vorbei am teuersten Hotel der Stadt, dem Parador, weiter Richtung Westen. Ulla meinte nur, dass sie sehr froh ist, diesem Trubel zu entgehen, denn es war ja auch so schon eine Qual wenn man die Stille des Camino gewohnt war und plötzlich diesen Menschenmassen ausgesetzt wurde. Sie spricht mir aus dem Herzen. Auch ich verstehe so manche Dinge wirklich nicht , doch so sind Menschen eben. Nach nur wenigen Minuten erreichten wir eine Parkanlage und dahinter bereits den Stadtrand von Santiago. Langsam zeigte sich das erste Morgenrot auf den Bäumen und von Weitem konnten wir die Türme der Kathedrale erkennen. Zeit für eine kleine Frühstückspause.

       
Aufruch nach Finisterre                                                                         Die Türme der Kathedrale im Morgenrot

Gestärkt mit Brot, Käse und Pilgerwein ( Wasser ) machten wir uns wieder auf den Weg. Diese Etappe hatte es in sich, es ging stetig bergauf und bergab. Endlose Eukalyptuswälder, steinige Pfade und dann noch eine nicht enden wollende Asphaltstraße und weit und breit keine Bar oder ein Lokal, wo man sich etwas ausruhen und die Wasserflaschen auffüllen konnte. In meinem linken Schuh verspürte ich einen ständig größer werdenden Druck und ich schnürte ihn etwas loser, doch schon bald reichte das nicht mehr aus und wir beschlossen, bei nächster Gelegnheit einmal nachzusehen was mit meinem Fuß los war. Immer stärker wurde der Druck und am Schlimmsten, wenn wir bergab gingen. Zum Glück sahen wir ganz in der Ferne, am Ende einer endlosen Straße ein Hinweisschild zu einer Bar und irgendwann erreichten wir sie dann auch.  Den Rucksack von den Schultern und dann erst einmal den Schuh ausgezogen. Der linke Fußballen war angeschwollen und begann heftig zu schmerzen. Irgendetwas musste ja noch passieren, als ob wir nicht schon genug Probleme auf unserem Weg hatten. Wir beschlossen langsam weiter zu laufen und sollte es nicht anders gehen,  müssten wir eben einen Bus nehmen. Wir waren schon einige Kilometer gegangen, als der Schmerz wieder da war und heftiger als zuvor. Humpelnd und mit mir selber nicht zufrieden quälte ich mich weiter und dann erreichten wir doch noch unser Tagesziel, Negreira. Wir folgten der Beschilderung zu der Herberge San Jose und waren sehr erstaunt. Die Herberge befand sich im unteren Bereich eines riesigen Bürokomplexes und war erst seit zwei Monaten geöffnet. Wie uns die freundliche Hospitalera sagte, gehört diese Herberge einem Mann, der selber einmal als Pilger unterwegs war und sein Wunsch war es, eine Albergue einzurichten ganz nach den Bedürfnissen der Pilger. Ist ihm wunderbar gelungen! Das Beste, was ich auf dem Camino erleben drufte. Danke!



        
Durch Eukalyptuswälder                                                                                     Auf dem Weg nach Negreira

                                                                 Eine wunderbare Herberge. San Jose In Negreira

Nachdem wir geduscht und unsere Wäsche gewaschen hatten, machte ich es mir an einem der Internetterminals bequem und schrieb unsere Erlebnisse der letzten Tage in meinem Forum auf meiner HP nieder. An der Rezeption bemerkte ich einen kleinen ,,Aufstand,, Ein Italiener versuchte der Hospitalera verzweifelt klar zu machen, dass er einen Knopf seines Pilderhemdes angenäht bräuchte. Mit Händen und Füßen fand diese Konversation statt. Ich schaute mir den Schaden an und machte dem aufgeregten Mann den Vorschlag, dass ich ihm dabei behilflich sein werde. Ich holte mein Nähzeug und reparierte den Schaden. Er war ganz auf dem Häuschen, als ich ihm sein Hemd, nun wieder vollständig, zurückgab und ich konnte mich seiner Dankbarkeitsbezeugungen kaum erwehren. Plötzlich stand auch Margarethe, die Frau mit dem orangefarbenen Beutel, neben uns und berichtete, dass die zwei schon seit Tagen gemeinsam unterwegs waren. Keiner verstand die Sprache des Anderen und doch hat sich zwischen ihnen eine sehr innige Freundschaft entwickelt. Michele, so hieß der Italiener, ließ es sich nicht nehmen uns alle zu einem Bier einzuladen und auch zwischen uns begann ein Gespräch aus vielen Sprachen zusammengesetzt und mit Gestiken untermalt.
Ulla und ich nahmen unser Pilgermenue in einem Lokal in der Stadt ein und machten noch einen kleinen Bummel. Schön war die Stadt nun wirklich nicht und das Beste war sicherlich die Herberge. Wir redeten über den nächsten Tag, wie es weitergehen sollte und wir beschlossen, mit einem Lienienbus nach Muxia zu fahren, damit mein Fuß etwas Ruhe bekam und die entzündungshemmenden Medikamente, die ich eingenommen hatte, ihre Wirkung zeigen konnten.
Am nächsten Morgen bekamen wir gegen ein geringes Entgeld sogar ein super Frühstück und nachdem wir uns alle sehr herzlich voneinander verabschiedet hatten gingen wir los zu einer Bushaltestelle. Margarethe und Michele wollten den Camino weitergehen nach Finisterre und hofften, das wir uns dort vielleicht wieder sehen werden.
Es war eine angenhme Fahrt nach Muxia und als wir aus dem Bus ausstiegen, kam gleich ein Mann auf uns zu und fragte, ob wir ein Zimmer suchten er hätte da etwas für uns ganz in der Nähe und auch nicht weit von der Promenade entfernt. Das ging nun wieder einmal sehr schnell. Wir schauten uns das Zimmer an und es gefiel uns gleich. Wir ließen unsere Rucksäcke im Zimmer, zogen unsere Wanderschuhe aus und machten uns auf den Weg, den kleinen Ort zu erkunden. In meinen Crocs hatte mein Fuß viel Platz und es fühle sich beim Laufen eigentlich recht angenehm an. An der Steilküste von Muxia trafen wir auf riesige Felsformationen. Der Legende nach erschien eine Jungfrau dem hl.Jakobus, als ihn während der Missionierung des Nordwestens der iberischen Halbinsel der Mut verlassen wollte, in einem Steinschiff. Ihr wurde auch die Kirche auf der Landspitze von Muxia gewidmet. Die Piedras Santas, große, eigentümlich geformte Steine auf dem Riff davor, werden als Reste des Marienschiffs angesehen und man sagt ihnen magische Kräfte nach. Der beeindruckendste unter ihnen gleicht einem Schiffsegel und man sagt, wer neun Mal darunter  hindurchklettert, soll von Nierenleiden und Rheuma geheilt werden. Das musste meine Ulla natürlich auch gleich ausprobieren. Wir werden sehen, wie weit der Glaube reicht.


        
                         Muxia                                                                                   Ulla krabbelt unter dem ,,Segel,, durch

Auch auf der anderen Seite der Landzunge fanden wir sehr hübsche Plätzchen. Fischerboote, Gestelle um Fische zum Trocknen aufzuhängen, weiße Strände und bunte Wiesen.


        
Trockenfisch                                                                                                        Am weißen Strand von Muxia

Das Laufen im weichen Sand tat meinem Fuß so richtig gut und bald spürte ich keinen Schmerz mehr. Doch übertreiben wollte wir es auch nicht und wir machten eine ausgedehnte Mittagspause in einem Lokal am Hafen. Draussen saß ein Mann mit einer Schnapsflasche vor sich und schien arge Probleme zu haben. Ulla hatte irgendwie von vornherein eine Abneigung, doch ich fing trotzdem ein Gespräch mit ihm an. Er war Deutscher, nach einem schweren Verkehrsunfall zum Frührentner geworden und auf den Jakobsweg gegangen. Er war hier hängen geblieben, hatte sich hier niedergelassen und hatte auch eine spanische Frau, mit der er allem Anschein nach große Probleme hatte und bei der Bewältigung dieser Probleme sollte ihm wohl der Alkohol helfen. Menschen lernt man auf dem Camino kennen, unterschiedlicher könnten sie nicht sein.
Gegen Abend unternahmen wir noch einen kleinen Spaziergang zum Kap. Mal sehen, ob es ein schöner Sonnenuntergang wird. Leider zeigten sich am Horizont dunkle Wolken und bestimmt werden wir nicht sehen können, wie die Sonne im Meer versinkt. Auf den riesigen Felsformationen saßen schon einige Pilger mit schussbereiter Kamera und auch wir suchten uns ein stilles Plätzchen. Trotz der Wolken wurde es eine wunderbare Abendstimmung und wir beschlossen, am nächsten Tag unser Glück zu versuchen und die 35 Km bis Finisterre zu laufen. Immer noch die Option offen gelassen, sollte mein Fuß Probleme machen, mit dem Linienbus weiter zu fahren.


        
Die Steinkirche                                                                                                      Wunderbare Abendstimmung


In der Nacht hatte es geregnet und die Straße glänzte vom Regen, als wir am Morgen gegen 7.00 Uhr losmarschierten. Laut unserem Plan war es eine leichte Etappe mit nur geringen Höhenunterschieden. Dafür zog sich die Straße aus Muxia heraus ganz schön steil in die Länge. Oben angekommen verwirrte uns die Wegweisung total. Ein Pfeil zeigte nach links und ein anderer nach rechts also, wohin nun ? Wir entschlossen uns, den Weg in südlicher Richtung zu folgen. Nach einigen Kilometern war auf einem Wegweiser ein gelbes Kreuz zu sehen und wir versuchten zu raten, was das bedeuten sollte. Neben uns hielt ein Auto und ich fragte den netten Spanier, der leider kein Wort deutsch oder englisch sprach, nach dem Weg. Ich zeigte ihm auf meiner Karte wo wir hin wollten.  Oh, Oh kam aus seinem Mund und das verhieß nichts gutes. Nix gut, oh oh und er zeigte uns, wo wir uns befanden. Da hatten wir einen sehr großen Bogen geschlagen ohne es zu bemerken. Es war aber auch zum Haareraufen, selbst größere Orte hatten keine Ortsschilder und man musste sich zusammenreimen, wo man sich eventuell befinden konnte. Wir gingen einige Kilometer auf einer größeren Straße, es regnete und wir waren uns nicht sicher, ob wir jemals den Camino wiederfinden würden. Hauptsache, die Richtung stimmte und ich war froh, dass ich mich daheim entschlossen hatte, meinen kleinen Kompass mitzunehmen. Immer unsicherer wurden wir und das Wetter verschlechterte sich zusehens. In einem  Bus-Wartehäuschen machten wir Pause. Rucksack runter Poncho ausgezogen und unsere mitgenommenen Köstlichkeiten, die sich mal wieder aus Brot, Käse und Wasser zusammensetzten, verzehrt.
Irgendwann, Stunden später sahen wir plötzlich wieder den gelben Pfeil und Ulla gab mir zu verstehen, das sie nun ganz genau aufpassen wird, dass wir unseren Wegweiser nicht mehr verlieren. In unserem Reiseführer hatte ich gelesen, dass es ganz in der Nähe ein Lokal geben musste und wir beschlossen, solten wir es finden, dort eine Ruhepause einzulegen. Wir gingen wieder auf unserem Camino, ein gutes Gefühl und auch das Wetter hatte sich etwas beruhigt. Frohen Mutes wanderten wir auf Waldwegen dahin bis,,, ja , bis wir dann plötzlich vor einem Fluß standen. Hallo, was geht denn hier ab? Uns kam ein Pilger von der anderen Seite entgegen, weil ja die meisten von Finisterre nach Muxia laufen und wir eben von dort kamen. Ein Amerikaner und er hatte große Mühe sich auf den glitschigen Steinen zu halten. Die Ströhmung war schon ziemlich heftig. Ich reichte ihm meinen Stock als Stütze und damit schaffte er auch noch die letzten Meter. Auf der anderen Seite bereiteten sich drei andere Pilger auf die Überquerung des Flußes vor. Die Schuhe aus, Socken aus und die Hosen so hoch gekrempelt wie es nur ging. ,,Passt auf, da sind Krokodile im Fluß'' rief ihnen der Amerikaner zu. Doch die drei hatten keinen Sinn für seinen Spaß, denn sollte einer ins Wasser fallen, riskierte er alles zu verlieren was er bei sich trug. Doch sie schafften es, wenn auch mit großer Mühe, unser Ufer zu erreichen. Einen von ihnen erkannten wir wieder, wir hatten ihn ganz am Anfang unseres Camino in Murias de Rechivaldo kennen gelernt. Also Ulla, dann wollen wir mal. Auch wir zogen unsere Schuhe aus, banden die Schnürbänder zusammen, stecken unsere Socken in die Schuhe und hängten sie uns um den Hals. Nun noch die Hosen hoch und dann hinein in das eisige Wasser. Ich hörte noch wie der Amerikaner uns nach rief:,, Sagt bitte rechtzeitig Bescheid, wenn ihr ins Wasser fallt, ich mache dann ein Foto von Euch.'' Doch auch wir konnten in diesem Moment nichts mit seinem Humor anfangen. Gut, das wir unsere Stöcke dabei hatten denn es war wirklich sehr glitschig auf den Steinen und die Ströhmung tat ihr Übriges. Glücklich und mit eiskalten Füßen erreichen wir des andere Ufer und winkten hinüber zu den Anderen, die sich wieder anzogen um ihren Weg fortzusetzen.



 Flußüberquerung vor Lires

Ein Gutes hatte die Geschichte doch, ich spürte keinen Schmerz mehr in meinem Fuß nach dem wir durch das kalte Wasser gelaufen waren. Wir ordneten unsere Sachen und machten uns wieder auf den Weg. Kurze Zeit später erreichten wir das Lokal, von dem ich gelesen hatte und die Pause tat uns wirklich richtig gut. Heißer Cafe con leche und ein großes Bokadillo damit ließ es sich wieder leben. Erholt gingen wir nach einigen Minuten weiter und bemerkten, dass ein kleiner schwarzer Hund wohl den selben Weg hatte wie wir. Ohne uns auch nur eines Blickes zu würdigen, lief er neben uns her. Machten wir einen Stop um uns mal wieder den Poncho anzuziehen wartete er brav bis wir weitergingen. Er stetzte mit einem gewagten Sprung über einen Straßengraben, lief durch eine Wiese, schnupperte hier und da um kurze Zeit später wieder neben uns aufzutauchen. Ulla meinte, dass er uns wohl adoptiert hatte und wir uns wohl an ihn gewöhnen müssten. Wie sollen wir das machen? Wir können ihn doch nicht mitnehmen, so niedlich der kleine Kerl auch war. Irgendetwas musste uns einfallen. So kamen wir nach einigen Kilometern an einem Bauernhof vorbei, die Bäuerin trieb gerade ihre Kühe über die Straße auf eine Weide und der Bauer schaute ihr, auf einer Bank vor dem Haus sitzend, dabei zu.Ich ging zu dem Bauern hinüber und versuchte ihn mit ein paar Brocken meines ,,fließenden ,,spanisch, auzusprechen. Was kann ich für euch tun fragte er mich in bestem deutsch. Ich war ganz schön verwirrt und er erzählte mir von seinem Jakobsweg, den er vor vielen Jahren gegangen war und wie er sich dann hier, in dieser einsamen Gegend als Bauer niedergelassen hatte. Wieder einer, den der Camino nicht  losgelassen hatte. Ich erzählte ihm von dem Hund, den wir doch trotz allem nicht mitnehmen konnten, auch wenn er sich uns ausgesucht hatte. Er kannte das Tier und versprach mir, das er ihn festhalten und später zurück bringen werde nach Lires. Denn eigentlich gehört er dem Besitzer des Lokales dort ,in dem wir unsere Pause gemacht hatten. Er lockte den Hund zu sich und nahm ihn auf seinen Arm, wir verabschiedeten uns und machten schnell, das wir weiter kamen. Wie gern hätten wir den kleinen Kerl mitgenommen.

         
Unser kleiner Freund. leider konnten wir ihn nicht mitnehmen

Der Weg führte uns weiter Richtung Süden und er wollte einfach kein Ende nehmen. Immer wieder verloren wir den Wegweiser und liefen nachher nur noch nach dem Kompass. Zwischen den Bäumen sahen wir nach einiger Zeit das Meer und wenige Minuten später erkannten wir wunderbare Strände mit weißem Sand. Wie gern würde ich alles um mich herum vergessen und mich in das kühle Wasser des Atlantik stürzen, doch wir müssen weiter, die Uhr tickt erbarmungslos und wir wussten mal wieder nicht wo wir waren. Irgendwann sollten wir schon in Finisterre ankommen. Auf einer Asphaltstraße, die schnurgerade bis zum Horizont verlief, wanderten wir Kilometer um Kilometer. Waren wir am vermeintlichen Ende der Straße angelangt, erwartete uns wieder das gleiche Bild wie vorher. Es war zum verzweifeln und Ulla war fast am Ende ihrer Kräfte. Auch gutes Zureden half fast nicht mehr. Wir legten noch eine kleine Pause ein und ich gab ihr mein letztes Wasser. Ausgerechnet jetzt meinte es die Sonne wieder sehr gut mit uns und das Thermometer stieg langsam wieder auf die 30 Grad Marke. Nur gut, dass mein Fuß keine Probleme machte, sonst hätten wir die Etappe wohl abbrechen müssen. Weiter führte uns der Weg und wir kamen in einen weiteren Ort ohne Eingangsschild. Wenn wir doch nur wüssten, wo wir uns gerade befinden. Wir gingen an einem Hügel entlang und etwas weiter unten sahen wir einige recht neue Häuser und auch ein Strand war da zu sehen. Und dann kamen wir endlich an einem Schild vorbei. Finisterre, wir waren da, endlich angekommen. Ulla war total am Ende und wir wollten uns so schnell wie möglich ein Quartier suchen, die Schuhe ausziehen und die Beine hochlegen. Direkt in der Altstadt fanden wir ein kleines Hotel und bezogen ein Zimmer im 4. Stock. Einen wunderbaren Bilck über den Hafen hatten wir von dortaus, doch Ulla hatte in diesem Moment kein Auge für die schöne Aussicht. Ausruhen, die Augen schließen und nicht mehr laufen, jedenfalls für die nächsten Minuten.

        
Mein Engel war total am Ende                                                                          Endlich in Finisterre

Manchmal fühlte ich mich richtig unwohl bei dem Gedanken meinem Engel zuviel zuzumuten, denn mir ging es eigentlich erstaunlich gut, doch immer wenn ich den Vorschlag machte, dass wir wohl lieber mit einem Bus oder Taxi weiterfahren sollten, lehnte sie das ab. Wenn wir schon auf dem Jakobsweg gemeinsam gehen, dann werde ich bestimmt nicht in irgendeinen Bus einsteigen, ausser ich breche auf dem Weg zusammen, sagte sie mir immer wieder. Das ist dann wohl der rechte Pilgergedanke auch wenn es schwer fällt weiterzugehen und seine Grenzen auszuloten. Ich bin sehr stolz auf mein Engelchen. Würde ich es auch so machen, oder hätte ich schon aufgegeben?
Nach ein paar Stunden der Ruhe unternahmen wir unseren ersten Rundgang durch den Ort Finisterre. Auf der Suche nach einem Lokal fürs Abendessen, gingen wir am Hafen entlang. Es war zwar etwas kühl,doch die Sonne schien und der Himmel zeigte sich auch von seiner besten Seite. Ganz in unseren Gedanken versunken schauten wir die Speisekarten in den Aushängen der Lokale an. Was wollen wir denn heute mal essen? Egal, nur kein Bokadillo, irgendetwas anderes, wir konnten uns einfach nicht entschließen. War das nicht Horst dort? Klar, da kam er auch schon auf uns zu. Hallo ihr zwei, schön, das wir uns hier noch mal sehen. Freudig begrüßten wir uns. Schon erstaunlich,wie er das in seinem Alter alles bewältigt. Wenn ich mit 70 Jahren noch so fit bin, dann muss ich mich wohl beim Herrgott bedanken. Er erzählte uns, das er morgen zum Leuchtturm gehen wollte um den Sonnenuntergang anzuschauen und im Meer zu baden und zum Schluß wollte er noch seine Wandersachen verbrennen. Also, das mit dem Sonnenuntergang und dem Verbrennen, das wollten wir ja auch, aber im Meer schwimmen? An der Felswand herunterklettern? Bei der Ströhmung schwimmen? Ich glaube, das ist mir dann doch etwas zu gefährlich.Mit einem Schulterklopfen verabschiedete er sich von uns und meinte, dass wir uns morgen ja noch bestimmt sehen werden. Wir gingen weiter und nach ein paar Metern begrüßte uns wieder irgendwer. Ja hallo, da sitzen Manuela, Kai, Tim und Jürgen. Das war eine Überraschung. Freudig begrüßten wir die vier, die in richtiger Feierlaune waren. Man sah es an den vielen leeren Weinflaschen auf dem Tisch. Wir gehen nur schnell was essen und dann kommen wir auch, oder seid ihr bis dahin nicht mehr da? Sie meinten, dass sie wohl noch etwas länger dort sitzen würden, wir müssten uns nicht so sehr  beeilen. Direkt nebenan bestellten wir uns eine Pizza,mal was ganz Anderes und ein großes Bier dazu. Komisch, seit geraumer Zeit hatte ich das Gefühl nie mehr satt zu werden. Erstaunliche Mengen verschwanden in meinem Magen und doch blieb da immer noch ein Gefühl von Hunger, seltsam.  Gemeinsam mit unseren vier Freunden verbrachten wir noch einen feucht- fröhlichen Abend und ich erinnere mich nicht mehr genau, wann wir dann Richtung Unterkunft gegangen sind.

        
Abend am Hafen von Finisterre                                                                           Ulla, Jürgen, Tim, Kai und Manuela

Es war sehr ungewohnt für uns, das wir am nächsten Morgen ausschlafen konnten, denn für den heutigen Tag blieben wir in Finisterre. Also alles ganz leicht und locker. Zum Frühstücken gingen wir in eine Bar im Hafen. Kaffee, Toast und Madalenas standen auf der Speisekarte. Nachdem wir uns gestärkt hatten, gingen wir Richtung Kap. Das Wetter war schon morgens sehr schön und wenn es so bliebe, dann könnten wir abends bestimmt noch einen schönen Sonnenuntergang anschauen. Entlang der Steilküste liefen wir bis zum Kilometerstein Null. Hier war der Camino wirklich zu Ende. Natürlich hatten wir ein paar Sachen von uns zum Verbrennen mitgenommen. Meine Wanderhose, die mich schon auf dem ersten Jakobsweg begleitet hatte, sollte nach so vielen Kilometern eine Feuerbestattung bekommen und auch ein Paar Wandersocken von Ulla sollten dran glauben. Wir gingen zum Leuchtturm und genossen die Aussicht über den Atlantik. Dort in der Ferne liegt Amerika, siehst Du die Freiheitsstatue? Ulla schaute mich mit großen Augen an. Ganz ohne Brille? Direkt an der steilen Felswand fanden wir einen geeigneten Platz für unser Feuerchen. Etwas Papier und trockenes Reisig in eine Vertiefung gelegt, Socken und Hose darüber und mit dem Feuerzeug entzündet. Bald tanzten muntere Flammen über unseren Kleidungsstücken. Versunken in unseren Gedanken standen wir da. Da hatte ich vor drei Jahren eine Trekkinghose für unter 10.- Euro gekauft und sie war zu meiner Lieblingshose geworden. Es müssen nicht immer Markenartikel sein mit denen man auf Wandertour geht. So manches mal war sie Regen, Sturm und Schnee ausgesetzt. Dornenbüsche hatten versucht, sie zu zerreißen und wenn ich sie von Hand gewaschen hatte, musste sie auch ganz schön leiden und nun brennt sie da so vor sich hin. Soll ich ein Foto von euch machen? Neben uns stand ein netter Herr einer englischen Reisegruppe, die uns bei unserem Ritual beobachtet hatten. Ich gab ihm meine Kamera und so entstand ein richtig schönes Bild von meiner Ulla und mir an der Steilküste.

       
Feuerbestattung unserer Kleidung                                                                          Am Kap Finisterre

Wir blieben noch eine Weile dort stehen, bis das Feuer verloschen war und traten dann den Rückweg in die Stadt an. In einiger Entfernung sahen wir einen orangefarbenen Beutel und das konnte nur Margarethe sein und neben ihr, das war Michele. Freudig wurden wir begrüßt. Die zwei waren noch auf der Suche nach einer Unterkunft und wir verabredeten uns, am Abend gemeinsam den Sonnenuntergang anzuschauen. Zurück gingen wir den Weg über den Berg und wir hatten eine wunderbare Aussicht über die Küste. Auch die Sonne meinte es heute sehr gut mit uns und wir beschloßen, noch einen Bummel bis zum Strand am anderen Ende der Stadt zu unternehmen.
Feiner weißer Sand erwartete uns in der Bucht und wir ließen unsere Blicke über den Boden schweifen. Vielleicht finden wir ja eine Jakobsmuschel. Kaum hatte ich diesen Gedanken, lag auch schon eine vor mir, zwar etwas klein, aber dafür von einer rötlichen Farbe, die man auch nicht überall findet. Ein paar Minuten später fand Ulla eine ganz besonders schöne schwarze Muschel. Wir konnten gar nicht aufhören mit dem Suchen. Schade, dass ich kein Handtuch und Badezeug dabei hatte, sonst wäre ich bestimmt zum Schwimmen gegangen. Aber in der Sonne liegen ist ja auch ganz schön, vor allem, wenn die Gedanken zurück gingen zu den Tagen als wir über die Pässe gingen und dabei mit Schnee zu kämpfen hatten.

                                                      Am Kap Finisterre der Kilometerstein Null des Jakobsweges

        
                                                                Nicht nur Jakobsmuscheln am Strand von Finisterre

Nach dem Abendessen machten wir uns auf den Weg zum Kap, um uns den Sonnenuntergang anzusehen. Unterwegs trafen wir Manuela, die sehr traurig war, dass Kai und Tim schon seit einigen Stunden auf dem Heimweg waren und auch Margarethe in Begleitung von ihrem treuen Michele, der für einen romantischen Abend auch noch Wein und Gebäck dabei hatte. Fast den ganzen Weg unterhielten Manuela und Ulla sich über persönliche Verbindungen, die man auf dem Jakobsweg schließt und darüber, dass Freundschaften auf dem Camino etwas ganz Besonderes sind.
Überall in den Felswänden saßen Pilger,einige von ihnen in Gedanken versunken, andere mit ihren Fotoapparaten beschäftigt oder in Gespräche vertieft. Etwas weiter unten sah ich Horst, wie ein aufgescheuchtes Huhn ging er auf und ab warscheinlich auf der Suche nach einem Weg, um im Meer zu baden. Nicht zu fassen! Es gab noch andere Pilger, deren Gesichter uns bekannt waren. Irgendwo und irgendwann hat man sich einmal auf dem Weg gesehen. Langsam neigte sich der Sonnenball auf den Horizont herunter und die große Wasserfläche des Atlantik färbte sich rot.
Ein Tag geht dem Ende entgegen und die Natur verabschiedet sich mit einem grandiosen Farbenspiel von ihm. Auch für uns geht nun bald unser gemeisamer Camino dem Ende entgegen. Morgen noch einen Tag in Santiago und dann spülen uns die Wellen des Jakobsweges wieder an den Strand des Alltags. Könnten wir doch für immer auf dem Camino bleiben! Vielleicht muss ich lernen, unser gesamtes Leben als Camino zu sehen, doch oft fällt es mir schwer im Alltag die Zeichen des Weges zu sehen oder richtig zu deuten. Alles was wir an negatieven Dingen erlebt hatten fingen wir doch mit unserer Liebe auf und was bleiben wird sind wundervolle Erinnerungen an Menschen und Begebenheiten. Gedanken am Ende eines wundervollen Tages.

                      Sonnenuntergang am Kap Finisterre mit Manuela, Margarethe, Michele und vielen anderen Pilgern
        
                                                    Am Ende eines Tages, am Ende eines Weges, am Ende der Welt

Langsam wurde es kühl, nachdem die Sonne im Meer versunken war und es begann eine ware Völkerwanderung zurück zur Stadt. Das Mondlicht zauberte silbrig glitzernde Wellen auf das Meer und tauchte die Landschaft in ein mystisches Licht, so dass manche Sachen schon fast kitschig wirkten.

        
                                                                                   Mondlicht verwandelt die Landschaft

Zurück in der Stadt kehrten wir noch in einem kleinen Lokal am Hafen ein und tranken noch ein Bier. Gedanken schwirrten uns durch unsere Köpfe und irgendwie konnten wir kaum glauben, das wir morgen wieder in Santiago sein werden.
Nach einem Frühstück ging es dann am nächsten Morgen wirklich los. Wir können eben nicht ewig hier bleiben. Der Bus fuhr pünktlich um 8.00 Uhr ab in Richtung Santiago. Gerade wollten wir einsteigen,da sahen wir Margarethe und Michele, die es sich nicht nehmen ließen, sich von uns zu verabschieden. Schnell tauschten wir noch unsere Adressen aus und dann ging es los, fort vom Ende der Welt zurück in die laute Stadt.

        
Frühstück in Finisterre                                                                                        Mit dem Linienbus nach Santiago

Gegen Mittag kamen wir dann nach einer rasanten Busfahrt wieder in Santiago an. Vom Busbahnhof liefen wir noch einmal in die Stadt herein, doch es war natürlich dieses mal ein ganz anderes Gefühl. Wir wollten einfach nur zu unserem Hotel direkt neben der Kathedrale am Ende der Fußgängerzone. Mit unseren Rucksäcken zwängten wir uns durch die Menschenmassen und nach ein paar kleinen Problemchen, weil unser Zimmer noch nicht fertig war, konnten wir uns endlich unseres Gepäcks entledigen.
In einem Straßenrestaurante fanden wir noch zwei freie Plätze und aßen eine Kleinigkeit zum Mittag. Anschließend besuchten wir noch einmal die Pilgermesse in der Kathedrale und auch dieses mal war es ein wundervolles Erlebnis. Den Nachmittag verbrachten wir damit, das ein oder andere Mitbringsel für unsere Lieben daheim einzukaufen, was bei dem riesigen Angebot recht schwer fiel. Irgendwann klingelte dann mein Handy. Jürgen wollte uns benachrichtigen, dass sie in einer Bar etwas außerhalb beim Abendessen saßen und ob wir nicht auch noch dazu kommen wollten. Natürlich wollten wir. Nach einigem Suchen fanden wir auch die Tapasbar. Dort saßen Manuela und ihre Tochter mit ihrem Freund, Norma und Jürgen. Es wurde ein recht gemütlicher und lustiger Abend. Geschichten vom Camino machten die Runde und manches was man unterwegs erlebt hatte, lebte wieder auf. Doch irgendwann geht auch der schönste Abend vorbei vor allem, wenn man am nächsten Morgen schon um 4.00 Uhr aufstehen muss. Es wurde ein Abschied, bei dem bei einigen die ein oder andere Träne in den Augen stand, Doch wir würden bestimmt irgendwann wieder einmal voneinander hören oder lesen. Müde, den Kopf voller Gedanken, machten wir uns auf den Weg zum Hotel. Als wir über den Praza do Obradoiro gingen, trug der leichte Nachtwind spanische Musik zu uns herüber. Gegenüber der Kathedrale musizierten einige Spanier zur Freude der Passanten und auch wir gesellten uns dazu. Eine wunderbare Stimmung umgab uns. Vor uns die mächtigen Türme der  Kathedrale im Schein des Mondes und dazu spanische Folklore und Gesang. In mir wurde es ganz still und in Gedanken verabschiedete ich mich von diesem Platz, der Kathedrale, vom Jakobus und vom Camino.
 
      
 Ob wir wohl irgendwann einmal wiederkommen werden?


        
                                                                                                         Pilgerabschied

        
Die Kathedrale im Mondlicht                                                                                Der Flieger wartet schon





Zeit für ein Resümee

Nun beginnt die Zeit nach unserem Camino und wenn ich darüber nachdenke, was denn so anders war als noch vor zwei Jahren, da offenbaren sich riesige Unterschiede. Es ist etwas total anderes, wenn man gemeinsam mit seinem Partner auf den Jakobsweg geht. Ich bemerkte schon nach ein paar Tagen, dass ich mit anderen Pilgern zwar ins Gespäch kam, aber fast immer nur dann, wenn ich sie von mir aus ansprach. Ich habe lange überlegt, was so anders an mir war. Ich erkannte, dass die Verbundenheit zwischen Ulla und mir so groß war, das es kaum Platz für fremde Pilger gab, obwohl wir allen Fragen, Problemen und Sorgen anderer offen gegeüber standen. Zeit für uns zu haben, in der wir unsere Beziehung vertiefen und festigen konnten, Zeit für unsere Probleme und Sorgen. Zeit für Erinnerungen und Zeit für gemeinsame Freude an der Natur und dem ungezwungenen Umherziehen auf einem Weg, der so voller Energie ist. Ein Erlebnis, für das man daheim wenig Zeit findet. Trotzdem bedeuten mir die Freundschaften, die ich während meines ersten Camino geschlossen hatte so unendlich viel und ich wünsche mir, das sie ein Lebenlang erhalten bleiben. Soetwas findet man nicht jeden Tag und auch nicht auf jedem Jakobsweg sonst wäre es nichts Besonderes. Jeder erlebt seinen ganz persönlichen Camino so, wie es gerade gut für ihn ist. Oft dachte ich auf unserem Weg an meine Pilgerbrüder Aloy, Dietmar, Hans-Egon und Paul zurück und es erfüllte mich mit einer tiefen Zufriedenheit solche Freund gewonnen zu haben und ich freute mich jedes mal, wenn ich in meinem Forum lesen konnte, dass sie mit ihren Gedanken bei uns auf dem Weg waren. Es war auch sehr interessant, Pilger zu beobachten und zu sehen wie der Camino sie veränderte. So manchen fragte ich, was für ihn die Beweggründe dafür waren, sich auf den Weg zu machen und genau wie bei mir damals kamen dann die Antworten wie, auf ein Leben zurück zu blicken, sich selber finden zu wollen oder ähnliches und genau wie bei mir erkannte ich, dass es bei vielen, als sie in Santiago ankamen, doch etwas ganz Anderes war, was sie dazu bewegte den Jakobsweg zu gehen. Kaum jemand glaubte, dass ihn der Weg verändern würde und sah sich später in seiner Meinung getäuscht. Kaum jemand konnte sich vorstellen den Camino ein zweites mal zu gehen und bemerkte nicht, wie der Virus Jakobsweg sich tief in seinem Herzen einnistete. Für mich selber ist eines ganz klar. Sollten wir mit Gesundheit gesegnet sein und es uns irgendwie erlauben können, so wird es nicht der letzte Camino für mich gewesen sein. Jedem, der in seinem Herzen den Wunsch verspürt auch einmal auf den Jakobsweg gehen zu wollen, möchte ich sagen, wenn es Zeit zum Gehen ist, dann ist es wirklich Zeit.  Geht!  Gehen ist etwas ganz natürliches, habt keine Angst. So wie es damals eure Eltern gemacht haben, als sie euch das Laufen lehrten, einer gab euch den Halt und der Andere wartete mit ausgebreiteten Armen ein paar Meter weiter darauf, dass ihr in seine Arme lauft, so werdet ihr auch in Santiago mit offenen Armen und voller Liebe erwartet und ihr könnt euch bei dem bedanken, der euch den nötigen Halt gab. Aber denkt auch daran, keiner kommt als der zurück, der er noch vorher gewesen ist. Der Camino verändert.
Natürlich habe auch ich Vergleiche gezogen und musste erkennen, dass es eigentlich falsch war. Man muss den Jakobsweg so annehmen, wie er sich einem offenbart. Es war mir klar, dass es im heiligen Jahr anders zugeht als noch vor zwei Jahren. Manchmal war ich enttäuscht, manchmal ärgerlich und manchmal war ich auch überrascht. Ärgerte ich mich über die Rücksichtslosigkeit mancher Pilger, wenn wir mal wieder mit Matsch vollgespritzt  oder durch Seitenhiebe zum Platzmachen gezwungen wurden, war es mein Engelchen der mich auf den Boden zurück holte und mir klar machte, dass ich auch diese Prüfung annehmen musste, genau das war meine Bestimmung. Manchmal war es betimmt nicht leicht, aber wie sagt Ulla immer:,, Das Leben ist eben kein Ponyhof.'' Es gab Tage, an denen wir die Grenze unserer Belastbarkeit aufgezeigt bekamen, in denen wir Zusammenhalt üben mussten und es gab Tage voller Freude, die wir gern miteinander teilten. Es werden diese Gefühle sein, die wir wieder in uns spüren wenn wir daheim sind, über unsere Erlebnisse reden und vielleicht versuchen sie jemandem zu erklären der das alles nicht verstehen kann, weil er noch nicht gegangen ist. In meinem Forum gibt es eine Rubrik: Wir sind dann mal wieder da. Zurück aus Santiago. Ich würde mich freuen, wenn der Ein oder Andere seine ganz persönlichen Erfahrungen dort schreiben würde, denn jeder erlebt seinen Camino ganz individuell.
Ich bin sehr gespannt, ob wir wohl von den Bekanntschaften unseres gemeinsamen Camino Nachricht erhalten werden und wir sind gespannt, wie das Leben sich für einige im Nachhinein gestalten wird.
Für mich selber gesprochen steht fest, dass der ,,Virus,, Jakobsweg stärker in mir ist als jemals zuvor und ich werde mich, auch wenn wir längst wieder daheim sind, noch immer als Pilger des hl. Jakobus fühlen. Ich trage den Camino tief in meinem Herzen in mir und ich glaube, meiner Ulla geht es ähnlich wie mir. Bestimmt werde ich in manchen stillen Stunden darüber nachdenken, was mir für die nächste Reise zum Camino noch fehlen könnte und wie wir wohl  die nächste Route wählen werden und vielleicht gibt es dann einmal eine Geschichte .. Es geht wieder Los,, Unsere dritte Reise zum Camino Frances.
Auch dieses mal möchte ich mich bei allen bedanken, die wir auf unserem Weg kennen lernten. Ohne Euch wäre unser Weg nicht so gewesen wie er war. Jürgen, Tim, Manuela, Kai, Barbara, Horst, Magarethe, Michele und alle die namenlosen Pilger denen wir unterwegs begegnet sind, euch gehört unser Dank. Ihr wart die Sonnenstrahlen, die dem Jakobsweg Leben eingehaucht haben und die uns die Möglichkeit gegeben haben , unseren Camino so zu erleben, wie er für immer in unserem Herzen bleiben wird.


Ultreia et Suseia und i buen Camino wünschen Euch Ulla und Jürgen




Früher, als ich noch kein Pilger war,
War ich oft auf Wanderschaft.
Oft verließ ich mein Haus.
Doch ich kehrte wieder zurück.
Nach einem Tag...
Nach einer Woche...
Nach einem Monat...
Nach einem Jahr.

Dann traf mich der Ruf zum Pilgerweg.
Wieder verieß ich mein Haus.
Doch ich blieb auf dem Weg..
Ich kehrte nicht mehr zurück. Dieser Weg ist solang.
Er endet nicht nach einem Monat...
Nicht nach einem Jahr...
Nicht einmal in Santiago.

Als ich dachte, am Ziel zu sein,
war ich an einem neuen Anfang.
Doch nun wusste ich ganz genau was ich suchte...
Was ich immer gesucht hatte...
Und ich wusste ganz genau,
wo ich es finde.


E. Alfernik